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Neurologie

Warum uns im Alter Wörter schlechter einfallen

Netzwerk-Verbindungen im älteren Gehirn sind zwar ähnlich, aber weniger effizient

Gedächtnis
Im Alter fallen uns Worte und Begriffe schlechter ein – aber warum? © ersinkisacik/ Getty images

Wie hieß das noch gleich? Im Alter fällt es uns manchmal schwer, die richtigen Worte zu finden. Warum das so ist, haben nun Neurowissenschaftler herausgefunden. Demnach sind zwar bei der Suche nach dem richtigen Begriff ähnliche Netzwerke im jungen und alten Gehirn aktiv. Aber bei Älteren sind die Verknüpfungen innerhalb dieser Netzwerke weniger effizient, sie können deren Leistungen nicht mehr voll ausschöpfen.

Wenn wir älter werden, fällt es uns zunehmend schwerer, im entscheidenden Moment die richtigen Wörter parat zu haben. Zwar wächst unser Wortschatz im Laufe des Lebens an und müsste uns eigentlich sogar mehr Auswahl liefern als in der Jugend. Dennoch fällt es Älteren zunehmend schwer, das semantische Gedächtnis zu aktivieren und die passenden Begriffe abzurufen. Bislang war unklar, woran das liegt.

Worttests im Hirnscanner

Jetzt liefert eine Vergleichsstudie von Sandra Martin vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und ihren Kollegen mögliche Ursachen für die alterstypischen Wortfindungsstörungen. Für ihr Experiment hatten sie 28 gesunde ältere Testpersonen im Alter zwischen 60 und 70 sowie 30 junge Vergleichsprobanden zum Test in den Hirnscanner gebeten.

Während die Testpersonen im Magnetresonanztomografen lagen und ihre Hirnaktivität aufgezeichnet wurde, lösten sie semantische Aufgaben: Sie sollten jeweils möglichste viele Wörter nennen, die in eine thematische Kategorie passten – beispielsweise Tiere, Metalle oder Fahrzeuge. Die einzelnen Testabschnitte wurden zu Vergleichszwecken von einer Zählaufgabe unterbrochen, zudem waren die Kategorien so gestaffelt, dass schwere und leichtere Blöcke sich abwechselten.

Zwei Netzwerke sind involviert

Das Ergebnis: Wie erwartet schnitten die jüngeren Testpersonen in den Wortfindungstests besser ab und benötigen weniger Zeit für ihre Antworten. Die Auswertung der Hirnaktivität enthüllte, dass in beiden Altersgruppen primär zwei Netzwerke an der semantischen Gedächtnisübung beteiligt waren. Dabei handelt es sich zum einen um das in der linken Hirnhälfte sitzende Netzwerk für das semantische Gedächtnis, das Sprachzentren umfasst und in dem Faktenwissen abgespeichert ist.

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Dazu kommt jedoch das sogenannte domain-general Multiple Demand Netzwerk (MDN), das für allgemeine Funktionen wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis zuständig ist und weniger mit dem Gedächtnis und mehr mit exekutiven Funktionen zu tun hat. Die jüngeren Testpersonen lösten die semantischen Aufgaben umso besser, je stärker die interne Verknüpfung innerhalb dieser beiden Netzwerke war.

Ähnlich verknüpft, aber weniger effizient

Nicht so bei den Älteren: „Zwar ähnelt das Muster der Verknüpfungen bei diesen Aufgaben dem im jüngeren Gehirn. Aber während sich bei den Jüngeren mit zunehmender Synchronisation der Netzwerke sowohl die Leistung als auch die Verarbeitungseffizienz erhöhte, war dies bei den älteren nicht der Fall: Sie zeigten zwar mit zunehmender Konnektivität Verbesserungen in der kognitiven Leistung, nicht aber bei der Effizienz“, berichtet das Team.

Anders ausgedrückt: Das ältere Gehirn kann die Verknüpfungen innerhalb der beiden Netzwerke nicht mehr voll ausnutzen. Dadurch ist der Informationsfluss in den entscheidenden Netzwerken weniger effektiv als bei den Jüngeren. Parallel dazu zeigten die Älteren auch eine stärkere Aktivität in den exekutiven Arealen und eine stärkere Verknüpfung zwischen den beiden Netzwerken. Nach Angaben von Martin und ihren Kollegen deutet dies darauf hin, dass die Aufgabe für diese Personen insgesamt schwieriger zu bewältigen war.

Woran liegt das?

Warum sich die Aktivitätsmuster mit dem Alter verändern, ist bislang nicht vollständig geklärt. Es scheint aber so zu sein, dass sich die neuronalen Reaktionen in bestimmten Bereichen abschwächen. „Unsere Ergebnisse liefern damit neue Belege für die reduzierte Effizienz des alternden Gehirns durch neurale Dedifferenzierung“, so das Team.

Selbst wenn ältere Menschen eigentlich über ein größeres semantisches Wissen verfügen, beeinträchtigt dies das Abrufen dieser Gedächtnisinhalte. „Auf der strukturellen Ebene könnte außerdem der Abbau von grauer Hirnsubstanz eine Rolle spielen, der durch den Austausch zwischen den Netzwerken kompensiert werden muss“, sagt Martin. (Cerebral Cortex, 2021; doi: 10.1093/cercor/bhab252)

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft

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