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Zoologie

Warum Kronenpinguine nur ihr zweites Ei ausbrüten

Neue Analyse alter Daten legt Grund für ungewöhnliches Nistverhalten offen

Kronenpingione
Kronenpinguine haben nicht nur einen auffallend gelben Kopfschmuck, auch ihr Brutverhalten ist ungewöhnlich. © Lloyd Davis Photography (www.lloyddavis.com)/ CC-by 4.0

Ungewöhnliches Verhalten: Kronenpinguine ignorieren ihr erstes Ei und brüten stattdessen erst das später folgende zweite Ei aus. Forschende haben jetzt herausgefunden, dass die Tiere so handeln, weil sie nur eines der beiden Jungtiere ernähren können. Sie entscheiden sich dabei für das zweite Ei, weil dieses in der Regel größer ist und das Küken darin bessere Überlebenschancen hat. Dass Kronenpinguine überhaupt zwei Eier legen, ist wahrscheinlich ein Überbleibsel von der Lebensweise ihrer Vorfahren.

Kronenpinguine (Eudyptes sclateri) leben auf den Antipoden und den Bounty-Inseln, Inselgruppen südöstlich von Neuseeland. Ihren Namen verdanken sie zwei gelben Federschöpfen, die wie buschige Augenbrauen über den Kopf verlaufen. Über Biologie und Lebensweise der Kronenpinguine ist von allen Pinguinarten am wenigsten bekannt. Die jüngsten wissenschaftlichen Daten über sie sind ein Vierteljahrhundert alt und stammen von einem Forscherteam um Lloyd Davis von der University of Otago in Neuseeland.

Pingioneier
Das zweite, mit Verzögerung gelegte Ei ist deutlich größer. © Lloyd Davis Photography (www.lloyddavis.com)/ CC-by 4.0

Unter Pinguinen

Bei der Forschungsreise vor 25 Jahren untersuchte das Team um Davis verschiedene Pinguin-Kolonien auf den Antipoden. Ihr Fokus lag dabei auf einer Kolonie in der Anchorage Bay. Sie fingen dort zunächst 270 Tiere, vermaßen sie und kennzeichneten sie mit Buchstaben und Nummern. In anderen Kolonien nahmen sie außerdem Blutproben. Danach beobachteten sie die Tiere einen Monat lang bis zu zwölf Stunden am Tag und erlebten so die Zeit von der Balz bis kurz nach der Eiablage. Dabei erhoben sie eine große Bandbreite an Daten, darunter die Tage der Eiablage, die Größe der Eier und die Gründe für deren Verlust.

Als Davis und seine Kollegen das Nistverhalten der Kronenpinguine untersuchten, beobachteten sie Überraschendes: Das Vogelweibchen legt zuerst ein kleineres, erstes Ei (A-Ei) und etwa fünf Tage später ein größeres, zweites Ei (B-Ei). Das erste Ei wird jedoch meist nicht bebrütet und manchmal sogar vom Pinguinpaar zerstört oder aus dem Nest geworfen.

Pinguinpaar entscheidet über Leben und Sterben

Vier von zehn A-Eiern der Nistkolonie verschwanden bereits vor dem Tag, an dem das B-Ei hinzukam, weitere vier an dem Tag selbst. Von den wenigen A-Eiern, die zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch im Nest lagen, überlebte kein einziges länger als eine weitere Woche. Die ersten Eier verschwanden in den meisten Fällen, indem sie aus dem Nest rollten. Da Kronenpinguine ihre Eier ohne jegliches Nistmaterial einfach auf den Boden legen, prüften die Wissenschaftler, ob die Eier aus Versehen herausrollten oder ob dies in der Absicht der Pinguineltern liegt.

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Sie legten dafür Steinkreise um 14 der Nester und verhinderten so ein zufälliges Herausrollen. Das Ergebnis: Die Eltern schenkten ihrem Nachwuchs genauso wenig Aufmerksamkeit, als wenn er herausgerollte wäre. Sie bebrüteten das A-Ei trotz des Steinkreises nicht und zerbrachen es sogar in zwei Drittel der Fälle. Aber warum? Auf der Suche nach einer Antwort haben Davis, seine Kollegen von damals und weitere Wissenschaftler die alten Daten nun nochmal systematisch ausgewertet und sind dabei zu neuen Erkenntnissen gekommen.

Die Größe entscheidet

Kronenpinguine leben und jagen fernab der Küste im offenen Meer. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie deshalb nicht genügend Nahrung für zwei Küken herbeischaffen können und sich in der Folge nur auf eines von beiden konzentrieren. Dass sie überhaupt zwei Eier statt von vorneherein nur ein einziges legen, ist vermutlich ein Relikt ihrer Vorfahren, wie Davis und seine Kollegen erklären. Gebunden an dieses Verhalten, müssen sich die Kronenpinguine für eines der Eier entscheiden und wählen deshalb das größere zweite Ei.

Tatsächlich sind die Größenunterschiede zwischen erstem und zweitem Ei bei keiner anderen Vogelart größer. Die Biologen vermuten, dass das erste Ei der Kronenpinguine deshalb kleiner ist, weil es entsteht, während das Weibchen sich auf seiner anstrengenden Reise zu den Nistgebieten befindet. Das zweite bildet sich hingegen erst an Land und kann sich uneingeschränkter entwickeln. Vermutlich ist es dadurch deutlich größer als das A-Ei.

Mehr Testosteron in Mutter und Ei

Doch nicht nur das: Das Blut der Pinguinmutter enthält zum Zeitpunkt der Eiablage sogar mehr Testosteron als das der Männchen, wie die Wissenschaftler ermittelt haben. Das ist für einige Vogelarten während der Migrationsphase typisch und kann die Reproduktion unterdrücken. „Hohe Testosteronwerte im Blutplasma bei den Kronenpinguin-Weibchen könnten erklären, warum das zweite Ei mit Verzögerung gelegt wird“, erklären Davis und seine Kollegen. Die längere Entwicklungszeit macht die B-Eier zudem größer.

Zusätzlich erhält das zweite Ei dadurch ebenfalls mehr Testosteron – und das könnte den Küken zugutekommen: Bei anderen Schopfpinguinarten erhöht dieses Hormon die Überlebenschancen geschlüpfter Küken und verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Geschwistern. In einer früheren Studie konnte ein Forscherteam um Floriane Guibert von der Universität Rennes zudem Ähnliches bei Japanwachteln zeigen: Wachtelküken, die aus testosteronhaltigen Eiern schlüpften, wichen Bedrohungen vermutlich besser aus und hatten dadurch einen Überlebensvorteil.

Möglicherweise vom Aussterben bedroht

Dass Davis und seine Kollegen das Rätsel um das Nistverhalten gelöst haben, ist für sie trotzdem nur ein kleiner Erfolg. Denn: Die Zahl der Kronenpinguine ist in den letzten 50 Jahren stark zurückgegangen. Der Klimawandel bedroht die mysteriösen Wasservögel in Form von Stürmen und Schlammlawinen. Sie könnten mittlerweile vom Aussterben bedroht sein und somit auf ewig die am wenigsten erforschte Pinguinart bleiben. (PLoS ONE, 2022, doi: 10.1371/journal.pone.0275106)

Quelle: PLOS

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