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Neurobiologie

Warum Gesten beim Sprachenlernen helfen

Das motorische System im Gehirn hilft beim Merken und Abrufen einer Fremdsprache

Sprachen
Beim Lernen einer Fremdsprache hilft es, wenn wir unseren motorischen Cortex miteinbeziehen. © SIphotography/ Getty images

Gestikulieren hilft: Wenn wir eine Fremdsprache lernen, bekommt unser Gehirn Hilfe von einem unerwarteten Areal – dem motorischen Cortex. Dieser für die Bewegungskontrolle zuständige Hirnbereich trägt offenbar auch dazu bei, die gelernten Vokabeln zu erinnern und wieder abzurufen, wie nun ein Experiment nahelegt. Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Gesten oder andere Bewegungen das Sprachenlernen fördern können.

Das Lernen und Beherrschen einer Fremdsprache trainiert nicht nur unseren Geist und bringt im Alltag Vorteile, es beeinflusst auch andere Aspekte unseres Denkens: Wenn wir nicht in unserer Muttersprache reden, lesen oder denken, verändert dies unsere Wahrnehmung, unsere Entscheidungen und sogar unser moralisches Empfinden. Interessanterweise verändert sich bei manchen Menschen auch das Verhalten beim Sprechen der Fremdsprache: Unwillkürlich gestikulieren sie mehr, wenn sie nach den passenden Wörtern suchen.

Der motorische Cortex mischt mit

Aber warum? Was hat Sprache mit Bewegung zu tun? Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass an Sprache und am Sprachgedächtnis mehr als nur die klassischen Sprachzentren in unserem Gehirn beteiligt sind. Dabei steht vor allem der motorische Cortex im Verdacht, wesentlich zum Sprachlernen beizutragen. Er kontrolliert normalerweise vor allem unsere Bewegungen, scheint aber auch beim Lernen von Sprache und Wörtern involviert zu sein, wie Studien nahelegen.

Was beim Sprachenlernen mit und ohne Gesten im Gehirn passiert und welche Rolle der motorische Cortex spielt, haben nun Brian Mathias von der TU Dresden und seine Kollegen in einem Experiment näher untersucht. Dafür lernten die Testpersonen zunächst in einem viertägigen Training fremdsprachige Vokabeln. Eine Gruppe verband dies mit Gesten, eine andere unterstützte das Lernen mit Bildern.

Im eigentlichen Test hörten die Teilnehmenden die gelernten Wörter und sollten diese zurück in ihre Muttersprache übersetzen. Dabei wurde jedoch in einem Teil der Durchgänge ihr motorischer Cortex mittels transkraniellen Magnetstimulation (TMS) gestört – Magnetfelder blockierten die Signale aus diesem Hirnbereich.

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Mithilfe auch beim Übersetzen

Es zeigte sich: Wurde der motorische Cortex bei der Aufgabe blockiert, fiel es den Testpersonen deutlich schwerer, die Vokabeln zu übersetzen. Sie benötigten mehr Zeit, um das passende Wort in ihrer Muttersprache zu finden. Blieb die Störung des motorischen Cortex aus, wurde diese Verlangsamung dagegen nicht beobachtet. Das legt nahe, dass der motorische Cortex zur Übersetzung des fremdsprachlichen Vokabulars beitrug, so das Team.

„Augenscheinlich hängt unser Gedächtnis für kürzlich gelernte Fremdsprachenwörter von dem sensomotorischen Kontext ab, in dem die Wörter während des Lernens erlebt wurden“, sagt Mathias. „Interessanterweise trat dieser Effekt sowohl bei konkreten Wörtern wie ‚Geige‘, als auch bei abstrakten Wörtern wie ‚Demokratie‘ auf.“ Diese Ergebnisse passen zu früheren Studien, bei denen der motorische Cortex von Testpersonen schon in der Lernphase gestört wurde. Den Teilnehmenden fiel es ohne die Mithilfe dieses Hirnareals deutlich schwerer, neue Fantasiewörter zu lernen und zu behalten.

Besser Lernen mit Gesten

Zusammen stützen diese Experimente die Annahme, dass der motorische Cortex sowohl beim Lernern wie beim Abrufen und Übersetzen von Sprache eine Rolle spielt – und dass diese Lernunterstützung umso ausgeprägter ist, je stärker schon die Lernphase von Gesten oder Bewegungen begleitet wird. Nach Ansicht der Forschenden bestätigt dies, dass der Einsatz von Gesten ein wertvolles Hilfsmittel sein kann, um eine Fremdsprache schneller zu lernen.

„Viele häufig verwendete Lehrmethoden zum Erlernen neuer Fremdsprachenvokabeln stützen sich ausschließlich auf auditive oder visuelle Informationen, wie das Auswendiglernen von Vokalbellisten. Unsere Ergebnisse liefern den neurowissenschaftlichen Beleg dafür, warum Lerntechniken, die das motorische System des Körpers einbeziehen, häufiger zum Einsatz kommen sollten“, so Mathias. (Journal of Neuroscience, 2021; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2249-20.2021)

Quelle: Technische Universität Dresden

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