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Neurobiologie

Warum Bonzen tatsächlich unehrlicher sind

Große Autos und Schreibtische beeinflussen die Körperhaltung und damit das Verhalten

Bonze: verführen große Schreibtische und Autos zur Uneghrlichkeit? © SXC

Fahrer großer Autos halten sich nicht an die Verkehrsregeln, und Chefs von großen Unternehmen lassen gerne einmal Fünfe gerade sein – klassische Vorurteile, nicht selten geboren aus Neid. Eine Experiment von US-Forschern zeigt jedoch: Diese Klischees könnten einen wahren Kern haben. Denn die unmittelbare Umgebung, sei es Schreibtisch, Autositz oder der Fernsehsessel zu Hause, bestimmt die Körperhaltung eines Menschen – und damit möglicherweise auch den Grad seiner Unehrlichkeit, so die Wissenschaftler im Fachmagazin “ Psychological Science“.

Wer selbstbewusst ist, zeigt dies an seiner Körperhaltung: Der Oberkörper ist aufgerichtet, die Brust vorgereckt und die Arme weit offen an der Seite. Doch auch umgekehrt funktioniert es: Wer bewusst eine offene, gestreckte Haltung einnimmt, fühlt sich machtvoller und besser. Eine zusammengekauerte Pose verringert dagegen eher das Selbstwertgefühl, wie frühere Studien zeigten. Das Selbstbewusstsein wiederum wirkt auf die persönliche Risikobereitschaft, die Stressresistenz und auch auf die Neigung zu Unehrlichkeit und egoistischem Handeln.

Haltungs-Test auf der Straße

Wie sich die Körperhaltung in Alltagssituationen auf unsere Stimmung und darüber auf die Neigung zu schummeln auswirkt, haben Andy Yap von der Columbia Business School in New York und seine Kollegen nun genauer untersucht. In einem ersten Test baten sie 88 Passanten, sich zu strecken oder zusammenzukauern und dabei Bilder von Gesichtern anzusehen – letztere dienten dazu, den eigentlichen Zweck der Studie zu maskieren. Dafür wurde ihnen eine Belohnung von vier Dollar versprochen.

Tatsächlich drückten die Forscher den Teilnehmern am Ende jedoch nicht vier Ein-Dollar-Scheine in die Hand, sondern einen Fünfer und drei Ein-Dollar-Noten – und schauten, wie viele von ihnen diesen vermeintlichen Irrtum melden würden. Der Unterschied war verblüffend deutlich, wie Yap und seine Kollegen berichten: Von denen, die zuvor die kauernde Haltung eingenommen hatten, behielten 38 Prozent das zusätzliche Geld. Bei denen aus der gestreckten Gruppe waren es dagegen 78 Prozent.

Großer Schreibtisch verführt zum Schummeln

Im zweiten Experiment prüften die Psychologen die Wirkung von unbewusst eingenommenen Körperhaltungen auf die Ehrlichkeit: Nach einem Worttest, bei dem den Probanden ein Dollar pro richtiger Antwort in Aussicht gestellt wurde, sollten sie auf einer Schreibtischunterlage eine Kollage zusammensetzen. Der entscheidende Unterschied: Die eine Hälfte musste sich dabei strecken, weil die Eizelteile weit auseinander lagen, die anderen nicht.

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Dann folgte der eigentliche Test: Die Forscher gaben den Teilnehmern die Lösungsbögen des Wortspiels in die Hand, so dass sie ihre Punktzahl und damit Belohnung selbst ausrechnen konnten. Wie sich zeigte, bewirkte auch hier die Körperhaltung einen Unterschied: Probanden, die sich zuvor strecken mussten, schummelten häufiger bei der Selbstauswertung .

Mehr Rowdys und Falschparker mit großen Autos

Ein ähnlicher Hang zur Missachtung von Regeln zeigte sich auch in einem Fahrsimulator-Test: Diejenigen, die sehr weit vom Armaturenbrett entfernt saßen und daher aufrechter und getreckter saßen, fuhren rücksichtsloser und regelwidriger. Und auch im Praxistest stießen die Forscher auf ähnliches: In New Yorks Straßen parkten signifikant häufiger große Autos mit geräumigen Cockpits regelwidrig in zweiter Reihe.

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass die Haltung, die wir in Alltagssituationen einnehmen – weil wir beispielsweise viel Platz am Schreibtisch oder im Auto haben – unser Verhalten unbewusst prägt. Und dies stärker als bisher angenommen. Wie die Experimente zeigen, kann das durchaus dazu führen, dass Menschen mit mehr Raum – und damit einem durch ihre Haltung gesteigerten Selbstbewusstsein und Machtgefühl – auch unehrlicher reagieren. An dem Klischee vom rücksichtslosen „Bonzen“ könnte demnach etwas dran sein. (Psychological Science )

(Association for Psychological Science, 27.06.2013 – ILB/NPO)

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