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Biologie

War das Hofbräuhaus die Wiege der Lagerbiere?

Entscheidende Kreuzung von Bierhefen könnte 1602 im herzoglichen Brauhaus erfolgt sein

Lagerbiere
Die für Lagerbiere entscheidende Bierhefe-Art könnte um 1602 im Münchener Hofbräuhaus entstanden sein. © AlexRaths/ Getty images

Folgenreiche Begegnung: Die Wiege der untergärigen Biere könnte im berühmten Münchener Hofbräuhaus gestanden haben. Denn im Jahr 1602 kamen dort wahrscheinlich die beiden Hefestämme in Kontakt, aus denen die für Lagerbiere nötige Hefeart entstand. Eine entscheidende Rolle für diese Kreuzung spielte Herzog Maximilian I. von Bayern, der damals Braumeister aus der Oberpfalz und dem Harz mitsamt ihrer Hefen anheuerte – erst dies brachte die Hefen zusammen, wie Forscher berichten.

Bier wird schon seit Jahrtausenden gebraut. In den frühen „obergärigen“ Brauereien wandelte der wilde Hefepilz Saccharomyces cerevisiae den Zucker in der Maische aus Getreidemalz und anderen Zutaten in Alkohol um. Allerdings funktionierte dies nur bei Wärme, weil diese Bierhefe kälteempfindlich ist. Deshalb war das Bierbrauen bei uns in Mitteleuropa lange Zeit nur im Sommer möglich.

Folgenreiche Hefe-Kreuzung

Erst im Mittelalter änderte sich dies: In Süddeutschland kam es zu einer Kreuzung der gängigen Bierhefe mit einer zweiten, wilden Hefeart, Saccharomyces eubayanus. Daraus entstand eine neue Bierhefe, S. pastorianus, die die Maische auch bei kühlen Temperaturen fermentierte. Diese Hefe-Kreuzung begründete das untergärige Bierbrauen – und schuf die Vorausetzung für Biere wie Pils, Lagerbier und Schwarzbier. Solche untergärigen Biere machen heute rund 90 Prozent aller Biersorten aus.

Offen war jedoch bisher, wo und wie es zu der folgenreichen Kreuzung von S. cerevisiae und S. eubayanus kam. „Die gängige Ansicht ist, dass die damals in Brauereien verbreiteten Bierhefen zufällig durch die seltenere Hefe S. eubayanus verunreinigt wurde“, erklären Mathias Hutzler von der TU München und seine Kollegen. „Diese beiden kreuzten sich dann und bildeten die neue Spezies S. pastorianus.“

Maximilian I.
Herzog Maximilian I. von Bayern spielte eine wichtige Rolle für die „Verkupplung“ der Bierhefe-Stämme. © Wolfgang Sauber
/CC-by-sa 4.0

Ein bayrischer Herzog als entscheidender Helfer

Doch wie sich jetzt zeigt, lief die folgenreiche Begegnung der beiden Hefen wahrscheinlich ganz anders ab – und an einem ganz bestimmten Ort. Auf Basis historischer Dokumente und genetischer Analysen haben Mutzler und sein Team der Spur der verschiedenen Bierhefen bis ins Mittelalter zurückverfolgt. Dabei entdeckten sie Indizien dafür, dass der Import von Braumeistern und Weizenbieren aus Böhmen nach Bayern eine entscheidende Rolle bei der Hybridisierung spielte.

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Zentrale Figur im ganzen Szenario war Herzog Maximilian I. von Bayern, Zu dieser Zeit war das Brauen von obergärigem Weizenbier in Bayern durch das Reinheitsgebot verboten, nur einige Brauereien im oberpfälzischen Grenzgebiet zu Böhmen hatten eine Sondergenehmigung – dies sollte den Weizenbier-Importen aus Böhmen Einhalt gebieten. Als der Träger dieser Sondergenehmigung starb, nutzte Herzog Maximilian I. die Chance und übernahm 1602 die Brauerei im oberpfälzischen Schwarzach.

Hefe-Importe aus Böhmen und vom Harz

Noch im gleichen Jahr ließ der Herzog den Braumeister aus Schwarzach mitsamt seinen ursprünglich aus Böhmen stammenden Bierhefen ans Münchener Hofbräuhaus kommen. Dieser begann nun, erstmals seit Bestehen der Hofbrauerei, dort auch ein rein obergäriges Weizenbier zu brauen. Dadurch kamen die von ihm mitgebrachten Hefestämme von Saccharomyces cerevisiae in Kontakt mit den im Hofbräuhaus verbreiteten Bierhefen – unter ihnen auch kältetolerante Vertreter von S. eubayanus.

altes Hofbräuhaus
Das alte königliche Hofbräuhaus, auch Weißes Hofbräuhaus genannt, in München. © historisch

Parallel dazu ließ der Herzog noch weitere Bierbrauer von anderswo in sein Hofbräuhaus kommen, darunter auch Braumeister aus dem Ort Einbeck am südlichen Rand des Harzes. Auch dort wurde zu dieser Zeit ein begehrtes obergäriges „Ale“ hergestellt – und Maximilian wollte sich diese Expertise in sein Brauhaus holen. Auch dabei könnten importierte S. cerevisiae-Bierhefen mit den „Haushefen“ der Hofbrauerei in Kontakt gekommen sein. „Beiden Szenarien gemeinsam ist, dass eine obergärige Bierhefe in das Hofbräuhaus gebracht wurde“, erklären die Forscher.

Hybridisierung im herzoglichen Hofbräuhaus

Im Münchener Hofbräuhaus kam es demnach zur Kreuzung der sich dort vermischenden Hefestämme und es entstand eine neue Art – die Lagerbierhefe S. pastorianus. Diese Artbildung zeigte sich auch in den Bieren, die das Hofbräuhaus erzeugte: Wenige Monate später wurden dort erste untergärige Starkbiere gebraut. „Diese Zeit und dieser Ort sind für die Hybridisierung der untergärigen Lagerbier-Hefen daher am wahrscheinlichsten“, erklären Hutzler und sein Team.

Die Wiege der Lagerbiere stand demnach wahrscheinlich im Münchener Hofbräuhaus. „Unabhängig davon, welches der beiden Szenarien zur Bildung von S. pastorianus geführt hat: Es ist klar, dass die neuen Bierhefe-Stämme sich dann von Bayern aus über ganz Europa verbreiteten und die Quelle aller modernen Lagerbiere sind“, erklären sie. (FEMS Yeast Research, 2023; doi: 10.1093/femsyr/foad023)

Quelle: Oxford University Press USA

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