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Evolution

„Wandelnder Kaktus“ als Urahn aller Gliederfüßer?

520 Millionen Jahre altes Fossil entpuppt sich als „Missing Link“ inder Evolution der Insekten, Spinnen und Krebse

Diania cactiformis – das neu beschriebene „Missing Link“ zwischen Stummelfüßern und Gliederfüßern. © Jianni Liu

Der „wandelnde Kaktus“, ein außergewöhnliches, 520 Millionen Jahre altes Fossil aus China, hat sich als „Missing Link“ in der Evolution der Gliederfüßer entpuppt. Der jetzt in „Nature“ beschriebene Fund zeigt erstmals, aus welchen Vorfahren sich Insekten, Spinnen, Krebse und Tausendfüßer entwickelten. Damit kann möglicherweise endlich die Frage nach dem Ursprung der artenreichsten Tiergruppe der Erde beantwortet werden.

Vor rund 540 Millionen Jahren erschienen fast alle großen Stämme des Tierreichs auf einen Schlag. Diese so genannte „kambrische Explosion“ brachte innerhalb kurzer Zeit einen gewaltigen Zuwachs der Artenvielfalt. Eine der besonders artenreichen Gruppen im damaligen Meer waren die Lobopoden: langgestreckte Tiere mit einem wurmähnlichen Körper und seitlichen Stummelbeinen. Ihre Stellung im Stammbaum ist allerdings seit langer Zeit umstritten: Sind sie nur die Vorfahren der heutigen Stummelfüßer (Onychophora) oder möglicherweise auch aller Gliederfüßer und damit aller Insekten, Spinnen- und Krebstiere?

Rätsel der Gliederfüßer-Herkunft

Die Herkunft dieser heute umfangreichsten und bedeutendsten Tiergruppe der Erde blieb damit eine ungeklärte Frage, der gemeinsame Vorfahr war unbekannt. Doch jetzt haben Forscher des Berliner Museums für Naturkunde und der Freien Universität Berlin unter Leitung der Humboldtstipendiatin Jianni Liu ein wichtiges Indiz auf der Suche nach dem Urahn entdeckt. Sie identifizierten ein in der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas entdecktes Fossil aus dem Kambrium als den möglichen nächsten Verwandten der Arthropoden.

Gliederfüßern. © Jianni Liu

„Wandelnder Kaktus“ aus dem Kambrium

Das 520 Millionen Jahre alte Relikt ist ein sechs Zentimeter langer Lobopode mit gepanzertem Körper und zehn Paar ebenfalls gepanzerten Beinen. Auf jeden Körpersegment trägt das Tier ein Paar robuster Stacheln, dem es auch seinen Namen verdankt: Die Forscher tauften es Diania cactiformis – nach der Region Dian, in der es entdeckt wurde, und nach seinem Kaktus-ähnlichen Aussehen. Seine Beine weisen erstmals die typische Gliederung der Arthropodenbeine auf und machen es damit zu einem Meilenstein der Evolution, der später den Erfolg der Insekten, Spinnen, Tausendfüßer und Krebse begründen sollte.

Vorfahre des Vorfahren der Gliederfüßer?

Aber ist er auch der direkte Vorfahre der Gliederfüßer? Die Forscher sehen in dem „wandelnden Kaktus“ einen wichtigen Schritt hin zur Entstehung der Arthropoden, schließen aber nicht aus, dass es noch zahlreiche Zwischenschritte bis dorthin gab. „Es ist schwer sich ihn als direkten Vorfahren irgendeiner der modernen Arthropoden vorzustellen“, so die Forscher in ihrem Artikel. „Aber sie könnten sich aus einer Lobopodengruppe entwickelt haben, die eine Schlüsselinnovation der Evolution und den namensgebenden Faktor der Arthropoden – erreichte, indem sie die hier bereits in Ansätzen vorhandenen gegliederten, sklerotisierten Anhänge weiter entwickelte.“ Der jetzt entdeckte Lobopode ist in jedem Falle ein wichtiges Bindeglied, der die Theorie einer Arthropoden-Entstehung aus dieser Tiergruppe stützt. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature09704)

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(Museum für Naturkunde / Nature, 24.02.2011 – NPO)

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