Die meisten Vögel sind „Selbstwohner“, ihr Nest wird ausschließlich von ihnen genutzt. Doch es geht auch anders, wie ein internationales Forscherteam jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ berichtet: Einige tropische Vogelarten leben offenbar nach dem „Timesharing-Prinzip“ und teilen sich ihr Nest mit anderen Vogelpärchen.
Die Wissenschaftlerinnen Andrea Smith und Vicki Friesen von der kanadischen Queens Universität untersuchten gemeinsam mit Kollegen eines internationalen Teams eine tropische Sturmschwalbenart. Sie baut ihre Nester bevorzugt als Höhlen in sandigen Abhängen von Inseln der Tropen und Subtropen.
Mehrfachnutzung einer Nesthöhle
Zu ihrer großen Überraschung beobachteten die Wissenschaftler, dass diese Höhlen nacheinander von unterschiedlichen Vogelpaaren genutzt wurden. Das erste Paar zog ein, blieb darin bis die Jungen flügge wurden und verließ dann das Brutgebiet in Richtung Winterquartier. Im Winter wurde die Bruthöhle dann von einem anderen Pärchen bezogen, das ebenfalls seine Jungen aufzog und im Frühjahr wieder verschwand. Kurz darauf kehrte das erste Paar wieder aus dem Winterquartier zurück und der „Wohnungstausch-Kreislauf“ begann von neuem.
Das Spannende an der Mehrfachnutzung sind die Rückschlüsse, die diese auf die evolutionären Mechanismen hinter dem Verhalten spielten. Denn als die Wissenschaftler DNA-Proben von Sturmschwalben aus unterschiedlichen Regionen analysierten, zeigte sich, dass die Vögel, die im gleichen Nest aber zu unterschiedlichen Zeiten brüten, sich genetisch unterscheiden. Äußerlich gleich aussehend, haben sich die jeweiligen „Nest-Teiler“ seit 1.000 bis 180.000 Jahren nicht miteinander gekreuzt.
Beispiel für sympatrische Artbildung bei Warmblütern
Und genau hierin liegt die Sensation: „Uns wird heute beigebracht, dass sich neue Arten als Resultat der Isolation zweier Populationen durch eine geographische Barriere wie eine Gebirgskette oder einen Fluss bilden“, erklärt Friesen. „Während dieses Modell für viele Teile der Erde zutrifft, erklärt es nicht, warum einige Arten dann trotzdem am gleichen Ort und ohne eine den Genfluss behindernde geographische Barriere entstanden.“
Die aktuellen Beobachtungen belegen, dass bei den Sturmschwalben ein Artbildungsprozess in vollem Gange ist – und dies nicht etwa unter räumlicher Isolation der beiden beteiligten Arten, sondern am gleichen Ort. Charles Darwin hatte eine solche so genannte sympatrische Artbildung bereits theoretisch postuliert, praktisch war sie jedoch bisher Mangelware. Beispiele für diese Form der Artbildung gibt es zwar bei einigen Pflanzenarten, Insekten und Fischen, bisher allerdings gab es keine klaren Belege dafür bei Vögeln oder anderen warmblütigen Tieren. „Es ist aufregend, Darwins ursprüngliche Theorie damit bestätigen zu können“, so Friesen.
(Queens University, 15.11.2007 – DLO)