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Biologie

Vögel: Kreativität lehrt Singen

Schaltkreis im Gehirn erzeugt Melodievariationen

Wie lernen Vögel singen? © MIT

Wie werden aus den einfachen, ungeordneten Rufen junger Vögel die typischen, komplexen Gesänge der Erwachsenen? Amerikanische Wissenschaftler sind jetzt der Antwort auf diese Frage einen Schritt näher gekommen. Sie konnten zum ersten Mal nachweisen, dass eine bestimmte Gehirnregion der Vögel als „Quelle“ der vokalen Kreativität fungiert.

„Wir versuchen die Frage zu beantworten, wie ein junger Vogel seinen Gesang lernt“, erklärt Professor Michale Fee vom McGovern Institut des MIT. „Wir wussten bereits, dass mehrere Gehirnareale daran beteiligt sind: Ein motorischer Schaltkreis um das Lied zu erzeugen und ein Lern-Schaltkreis, genannt AFP, der seine Ergebnisse an das motorische System schickt.“ Normalerweise hallt die Kinderstube der Zebrafinken wieder von immer neuen, noch unperfekten Variationen der Gesänge der Erwachsenen. Schritt für Schritt werden dann die Rufe der Jungvögel weniger variabel und nähern sich den traditionellen Standards an.

Kein Lernen ohne AFP-Schaltkreis

Vor einigen Jahren hatten Forscher bereits festgestellt, dass eine Inaktivierung des AFP-Lern-Schaltkreises im Gehirn eines Jungvogels diese Entwicklung mittendrin unterbricht. Der Vogel singt zwar noch, aber lernt niemals den richtigen Gesang. Um diesen Effekt zu erklären, stellten die Wissenschaftler die Hypothese auf, dass der AFP-Schaltkreis dem Jungvogel dabei hilft, seine jugendlichen Versuche mit den Gesängen der Eltern zu vergleichen. Doch diese Vermutung konnte nicht erklären, warum und wie die Jungvögel in der Lernphase so viele Variationen der Gesänge erzeugten.

“Wir sind diese Frage auf andere Art angegangen und haben postuliert, dass der Jungvogel nicht vergleicht sondern kreativ ist und mithilfe von Versuch und Irrtum viele unterschiedliche Klänge ausprobiert“, erklärt Fee. „Wir haben die Hypothese aufgestellt, dass der AFP die Quelle dieser Kreativität ist und die Variationen erzeugt anstatt sie nur zu vergleichen.“

Kreativität statt Vergleich?

Um ihre Theorie zu testen, untersuchten die Wissenschaftler Finken, die gerade alt genug waren, um ihre vokale Entwicklung zu beginnen. Bei diesen Tieren inaktivierten die Forscher gezielt für eine bestimmte Zeit den Teil des AFP-Schaltkreises, der mit dem motorischen System des Singens in Verbindung steht. Diese Blockade führte dazu, dass die Vögel zeitweilig alle Variationen verloren und nur noch eine unreife Gesangsversion von sich geben konnten.

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Nach Ansicht der Forscher zeigt dies, dass der AFP-Schaltkreis selbst die Experimente des Jungvogels mit Tönen und Klangfolgen verursacht und dass genau diese Variationen essenziell für das Lernen der Tiere sind. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Neuronen des AFP-Schaltkreises immer dann zufällige Pulse von Signalen aussendeten, wenn der Vogel neue Variationen in seinen Gesang einbaute. „Wir glauben, dass die Signale dieser Neuronen den motorischen Schaltkreis „treten“, ihn damit aus seiner Routine werfen und dazu veranlassen, etwas Neues zu produzieren“, erklärt Fee. Erst dann tritt ein anderer, bisher noch unbekannter Schaltkreis auf den Plan, der die Variationen mit den im Gedächtnis der Jungvögel gespeicherten Gesängen des Elternvogels vergleicht.

“Das ist eine außergewöhnliche Entdeckung”, erklärt Sarah Bottjer von der Universität von Südkalifornien. „Hier haben wir einen Organismus, der uns eine direkte Untersuchung ermöglicht, wie Tiere motorische Aktivitäten lernen.“ Der für die Singvögel typische Lernprozess nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ liefert nach Ansicht der Wissenschaftlerin ein ideales Modell, um beispielsweise ähnliche Prozesse beim Menschen zu analysieren, wie beispielsweise den Spracherwerb von Kleinkindern.

Die Abläufe im Gehirn, die den Gesang der Vögel steuern, besitzen zudem im menschlichen Gehirn einen Gegenpart, den bisher kaum verstandenen so genannten Basalganglienzyklus. Die Forschung an den Vögeln könnte daher wertvolle Hinweise auf die Arbeitsweise unseres eigenen Gehirns und speziell die Auswirkungen von Gelerntem auf motorische Prozesse liefern.

(MIT, 29.04.2005 – NPO)

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