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Chemie

Vitamin E überrascht Forscher

Oxidation des Radikalfängers läuft anders ab als angenommen

Vitamin E © Uni Wien

Vitamin E gilt als „Radikalfänger“ und damit als eine Art „Anti-Aging“-Vitamin. Doch eine neue Studie hat jetzt gezeigt, dass die Oxidationen dieses Vitamins ganz anders ablaufen als bisher angenommen. So fehlen beispielsweise Zwischenprodukte, die laut gängiger Lehrmeinung dabei entstehen sollen. Bedeutung haben diese neuen Erkenntnisse auch für ein Folgeprojekt, in dem es um die Herstellung von „Super-Antioxidantien“ auf Basis eines polymeren Vitamin E geht.

Vitamin E ist eines der wichtigsten natürlichen Antioxidantien. Berühmtheit hat es als „Radikal-Fänger“ oder „Anti-Aging“-Produkt erlangt. Es ist vielleicht auch diese Berühmtheit, die das wissenschaftliche Interesse an Vitamin E auf die Optimierung der Anwendung hin fokussierte – und der grundlegenden Chemie weniger Beachtung zukommen ließ. Im Zuge der Entwicklung neuer Anwendungsmöglichkeiten wenden sich Chemiker diesen Grundlagen aber erneut zu – und räumen mit so mancher Lehrmeinung radikal auf.

Zwischenprodukt nicht nachweisbar

Einer der daran beteiligten Chemiker ist Professor Thomas Rosenau vom Department für Chemie der Universität für Bodenkultur, Wien, und sein Team. Im Zuge seiner Arbeit analysierte er die genauen chemischen Abläufe bei der Ein-Elektronen-Oxidation des alpha-Tocopherols, dem Hauptbestandteil des Vitamin A, die nach Lehrbuchmeinung über bestimmte Zwischenprodukte, so genannte C-zentrierte Radikale mit ortho-Chinonmethid-Struktur (oQM), abläuft. Genau das tut sie aber laut den Ergebnissen des Teams um Rosenau nicht.

“Prinzipiell haben oQMs und die strukturell verwandten C-zentrierten Radikale eine geringe Stabilität und kurze Lebensdauer“, erklärt Rosenau. „Das schränkt die Möglichkeiten für ihren Nachweis und ihre Untersuchung stark ein. Uns ist es aber gelungen, die Stabilität von oQMs deutlich zu erhöhen und Lebensdauern von bis zu 20 Minuten zu erzielen. Damit ist es uns möglich, oQMs in Reaktionsabläufen direkt analytisch nachzuweisen.“

Da das Zurückweisen einschlägiger Lehrmeinungen besonderer Sorgfalt bedarf, nutzte das Forscherteam zahlreiche unabhängige Analysemethoden, um das Ergebnis zu bestätigen. Dazu zählten neben der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie in flüssiger und fester Phase, der Elektronenspinresonanzspektroskopie und Massenspektrometrie auch das Markieren spezieller Derivate mit Isotopen sowie die Untersuchung der Reaktionskinetiken und die Entwicklung von Computermodellen.

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Die Chemie stimmt

„Die Frage, ob bei der Oxidation von alpha-Tocopherol C-zentrierte Radikale mit oQM-Struktur als kurzlebiges Zwischenprodukt entstehen oder nicht, mag zunächst als rein akademisch interessant erscheinen. Ist sie aber keineswegs!“, so Rosenau. „Denn diese Radikale besitzen eine extrem hohe Reaktivität und könnten somit in der Zelle großen Schaden anrichten. Da alpha-Tocopherol vielfältige physiologische Funktionen als fettlösliches Antioxidans erfüllt und in einer großen Vielzahl von Medikamenten, Pflegeprodukten, Lebensmitteln und Kosmetika eingesetzt wird, ist das Verständnis über mögliche schädliche Nebenwirkungen seiner Abbauprodukte für die Gesundheit der Patienten und Konsumenten essenziell.“

Für die Forscher ist das Wissen um die Reaktivität von alpha-Tocopherol-Produkten aber auch aus einem anderen Grund wichtig: Ein zweites FWF-Projekt verfolgt die Herstellung von Polytocopherolen nach einer neuartigen, als Spiropolymerisation bezeichneten Reaktion, die auf dem Verständnis der Oxidationsreaktionen beruht. Polytocopherole sind Moleküle, bei denen zahlreiche Tocopherol-Einheiten ketten- oder ringartig miteinander verbunden sind. Die oQMs werden zur Bildung dieser Verbindungen genutzt, während die hochreaktiven Radikale zu Quervernetzungen oder zu Brüchen der einzelnen Polymerstränge führen und so die Herstellung von Polytocopherolen erschweren würden. So demonstriert die aktuelle wissenschaftliche Arbeit, dass der Fortschritt bei aktuellen wissenschaftlichen Problemen manchmal auch das Revidieren gängiger Lehrmeinungen bedingt.

(Universität Wien, 25.09.2007 – NPO)

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