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Zoologie

Vampirtintenfische fressen keine lebende Beute

Forscher klären Ernährungsstrategie der Tiefsee-Kopffüßer

Blick in die Mundhöhle eines Vampirtintenfischs. © Hoving et al., MBARI 2008

Der Vampirtintenfisch wird seinem furchteinflößenden Namen nicht gerecht: Denn entgegen bisherigen Annahmen jagt dieser achtarmige Tiefsee-Kopffüßer keine lebende Beute. Stattdessen ist er ein Aas- und Restefresser. Das haben US-amerikanische Forscher bei der Beobachtung dieser Tiere im Ozean und im Labor herausgefunden. Demnach frisst dieser Tintenfisch die organischen Überreste kleiner Wassertiere und Algen, die langsam in die Tiefsee hinabsinken. Zwei lange fadenförmige Anhänge helfen ihm dabei, die nahrhaften Klumpen aus dem Wasser zu fischen. Die Ernährung des Vampirtintenfisches sei damit einzigartig unter den Kopffüßern, denn alle anderen seien fleischfressende Meeresräuber, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.

Der Vampirtintenfisch habe sich damit an seinen Lebensraum angepasst, besonders sauerstoffarme und daher nur dünn besiedelte Regionen der Tiefsee. Die ungewöhnliche Ernährungsweise könnte auch erklären, warum der Vampirtintenfisch in Relation zu seinem Körper die größten Augen im Tierreich besitzt, meinen Hendrik Hoving vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing und seine Kollegen. Sie machen mit rund zwei Zentimetern Durchmesser fast ein Sechstel seiner Körperlänge aus. Die in die dunkle Tiefsee herabsinkenden Klumpen organischer Überreste enthalten oft leuchtende Bakterien, wie die Wissenschaftler berichten. Mit seinen großen Augen könne der Vampirtintenfisch dieses schwache Leuchten vermutlich erkennen und so seine Nahrung besser orten.

Der in Wassertiefen von 600 bis 1.000 Meter vorkommende Vampirtintenfisch erhielt seinen Namen, weil seine durch eine dünne Haut verbundenen Arme dem wehenden Umhang eines Vampirs ähneln. Zusätzlich zu den acht Armen trägt er zwei lange, fadenartige Anhänge. „Über die Funktion dieser Filamente rätseln Forscher schon seit Jahren“, schreiben die Meeresbiologen. Auch über die Ernährung sei kaum etwas bekannt gewesen. Daher habe man dies nun genauer untersucht.

Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis infernalis) mit geschlossenen Armen und deutlich erkennbarem, hellen Filament, mit dem sie ihre Nahrung sammeln und orten. © Hoving et al., MBARI 2008

Scheue Tiefseebewohner über 20 Jahre hinweg beobachtet

Für ihre Studie hatten die Forscher 20 Jahre lang, von 1992 bis 2012, die scheuen Vampirtintenfische in der Monterey Bay in Kalifornien mit Hilfe von ferngesteuerten Tauchrobotern beobachtet und gefilmt. Zusätzlich analysierten sie den Kot der Kopffüßer und werteten sie den Magen- und Kropfinhalt von 43 Tieren aus, die Fischkutter in ihren Netzen gefangen hatten. Um das Fressverhalten live zu beobachten, fingen die Forscher zudem fünf Tiere lebend ein und hielten sie in Aquarien, wo sie sie mit Überresten von Kleinkrebsen und anderen Kleinstlebewesen fütterten.

Schleimige Klumpen von Krebsteilen und Algen

„Die Nahrung der Vampirtintenfische bestand aus zusammengeklebten Teilen von Ruderfußkrebsen, Kotpellets, Kieselalgen und Fischschuppen, eingebettet in Schleim“, berichten die Forscher. Diese Zusammensetzung sei typisch für die Klumpen organischen Materials, das aus den oberen Wasserschichten in die Tiefsee absinke. In den Filmaufnahmen seien deutlich Vampirtintenfische zu erkennen, die gerade diese Klumpen verspeisten.

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Die Aufnahmen und Fütterungsversuche im Labor enthüllten auch, wozu die Tintenfische ihre langen Anhänge nutzen: Sie dienen den Tieren als Futterangel und Sensor zugleich. An den kurzen Borsten des Filaments bleiben die klebrigen Klumpen organischer Reste hängen und Sinneszellen geben Informationen über dieses Futter ans Gehirn des Tintenfisches weiter. Haben sich genügend nahrhafte Reste am Filament gesammelt, zieht der Tintenfisch den Anhang ein und streift die Nahrungspartikel in Mundnähe ab. Dort wird die Nahrung in Schleim eingehüllt und von den zahlreichen beweglichen Fortsätzen an den Armen bis in den Schlund des Tintenfisches befördert, wie die Forscher bei den Fütterungsversuchen im Aquarium beobachteten. (doi: 10.1098/rspb.2012.1357)

(Proceedings of the Royal Society B, 26.09.2012 – NPO)

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