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Paläontologie

Urzeitlicher Wal-Friedhof entdeckt

Einzigartiger Fund liefert Hinweise auf Ursache für Massenstrandungen der Meeressäuger

Einer der fossilen Wale von Cerro Ballena © James F. Parham / California State University

Ein einzigartiger Fund: Bei Bauarbeiten an einer Fernstraße haben Arbeiter einen ganzen Friedhof urzeitlicher Wale und anderer Meeressäuger entdeckt. Die mehr als 40 Fossilien zeugen von einer Massenstrandung vor sieben Millionen Jahren. Der bisher größte Fund dieser Art liefert wertvolle Hinweise auf die Ursache dieses und m möglicherweise auch heutiger Massensterben von Walen, wie die Paläontologen berichten.

Immer wieder stranden Wale scheinbar orientierungslos an Küsten und oder werden tot angeschwemmt. Warum, ist bis heute unklar. Die Theorien reichen von Vergiftungen mit Algentoxinen, Schwermetallen oder Pestiziden, dem Lärm von Schiffsverkehr, Ölbohrungen und akustischen Waffen bis zu Schwankungen im Magnetfeld der Erde oder ungewöhnlichen Strömungen. Keine von ihnen hat sich aber bisher als schlüssige Erklärung für alle Massenstrandungen erwiesen. Die Entdeckung eines einzigartigen Walfriedhofs in der Atacama-Region Chiles liefert nun neue Hinweise.

Zufallsfund beim Straßenbau

Die Entdeckung war reiner Zufall: Als Arbeiter für die Erweiterung der Panamerikanischen Fernstraße ein 20 Meter breites und 250 Meter langes Geländestück aufgruben, stießen sie auf fossile Knochen ungewöhnlicher Größe. Im feinen, sandigen Sediment förderten die hinzugerufenen Paläontologen seither mehr als 40 Skelette von urzeitlichen Meeressäugern zutage, die meisten davon vollständig.

„Die Ausgrabung in Cerro Ballena lieferte eine einzigartige Dichte von Meeressäuger-Skeletten, weltweit ist das absolut einmalig“, erklären Nicholas Pyenson von der Smithsonian Institution in Washington DC und seine Kollegen. Allein die Menge der dort gefundenen Furchenwale sei größer als irgendwo sonst. Zu den Furchenwalen gehören unter anderem Buckelwale, Finnwale, Blauwale und Zwergwale.

Die Walfossilien werden freipräpariert und anschließend eingescannt © Smithsonian Institution

Tot oder sterbend angeschwemmt

Die Untersuchung der in vier Schichten liegenden Fossilien ergab, dass neben Furchenwalen auch einige Seerobben, eine walrossähnliche ausgestorbene Walart, ein Pottwal und sogar ein im Meer lebendes Faultier im Sediment konserviert war. Wie die Forscher erklären, befand sich dieses Geländestück einst am Ufer einer Pazifikbucht, die Tiere müssen vor rund sieben Millionen Jahren dort gestrandet sein, in einer Zeit, als der Meeresspiegel etwas höher lag als heute.

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Die meisten Skelette lagen nur wenige Meter auseinander und rechtwinklig zur damals vorherrschenden Strömung. Die Furchenwale wurden zudem fast mit der Bauchseite nach oben gefunden. „Die Dominanz der bauchoben liegenden Skelette und ihre Ausrichtung sind ein starkes Indiz dafür, dass sie bereits tot oder sterbend angeschwemmt wurden“, sagen Pyenson und seine Kollegen. Es erinnere damit sehr an moderne Massenstrandungen.

Tsunami, Verhaltensstörung oder Virus unwahrscheinlich

Was aber war die Ursache für den Tod dieser mehr als 40 Meeressäuger? Ein Tsunami kann es nicht gewesen sein, wie die Forscher berichten, denn das Sediment sei dafür zu glatt und ungestört. Ein durch Herdenverhalten verursachtes Stranden ist unwahrscheinlich, weil nicht nur Wale einer Art gefunden wurden, sondern auch Robben und andere Meeressäuger. Sogar Faultiere, die nur bis in die Brandungszone ins Meer hineingehen, gehörten zu den Opfern des Massensterbens.

Der Walfriedhof liegt direkt neben der Panamericana © Adam Metallo / Smithsonian Institution

Eine weitere Möglichkeit wäre eine Seuche, beispielsweise durch einen tödlichen Virus, so Pyenson und seine Kollegen. Aber auch diese befallen in der Regel nur bestimmte Arten, die breite Verteilung der Opfer passt daher auch nicht zu diesem Szenario.

Es gibt aber noch eine andere Erklärung: den Tod durch giftige Algenblüten. Wie die Forscher berichten, führte eine solche Vergiftung beispielsweise 1987-88 zum Tod von 14 Buckelwalen an der US-Ostküste bei Cape Cod. Das unter anderem von bestimmten Dinoflagellaten produzierte Nervengift fand sich dabei sowohl in Fischen als auch in den Mägen der tot angeschwemmten Wale.

Giftige Algenblüte brachte den Tod

Nach Ansicht von Pyenson und seinen Kollegen könnten Giftalgen auch für den Tod der Meeressäuger von Cerro Ballena verantwortlich gewesen sein. Strömungen und ein starker, auf das Land zuwehender Wind hätten dann die Leichen und halbtoten Tiere auf den Strand der flachen Meeresbucht geschwemmt. „Die Verteilung der Fossilien deutet darauf hin, dass die Meeressäuger relativ schnell im Laufe von Stunden bis Wochen starben, dass es vier solcher Todeswellen im Abstand einiger zehntausend Jahre gab und dass die Ursache artübergreifend wirkte – diese Merkmale stimmen gut mit denen heutiger Massensterben durch Algengift überein“, sagen die Forscher.

Entlang der Westküste Südamerikas gelangt zudem immer wieder Eisen – ein wichtiger Algendünger – über Regenwasser aus den Anden ins Meer. Dies könnte periodische Blüten von Giftalgen gefördert haben, an denen die Meeressäuger von Cerro Ballena starben. „Wir vermuten, dass solche Einschwemmungen auch anderswo für Massensterben von Meerestieren sorgen können“, so Pyenson. Es könnte daher auch die Massenstrandungen von Walen anderswo erklären. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2014; doi: 10.1098/rspb.2013.3316)

(Royal Society, 26.02.2014 – NPO)

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