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Biologie

„Ursuppe“: Wie sahen die ersten Enzyme aus?

Forscher ergründen den Ursprung von Stoffwechselreaktionen

Proteinfaltung
Einfach gefaltet: Wie sahen die frühesten Stoffwechselenzyme aus? © Vikas Nanda/ Rutgers University

Wichtige Biokatalysatoren: Forscher haben die Wurzeln jener Enzyme ergründet, die für den Stoffwechsel heutiger Lebewesen unerlässlich sind. Demnach bestanden die ersten Proteine dieser Art womöglich aus nur zwei einfachen Faltstrukturen – und diese Strukturen wiederum scheinen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzugehen. Dieses urtümliche Peptid könnte das erste metabolisches Enzym in der „Ursuppe“ des Lebens gewesen sein.

Wie und wo das erste Leben entstand, ist noch immer rätselhaft. Forscher vermuten die Wiege des Lebens unter anderem in heißen Tümpeln, an hydrothermalen Schloten oder in den Poren erstarrter Lava von Meeresvulkanen. Auch welche Biomoleküle die ersten Lebensbausteine bildeten, ist bislang strittig. Einer Theorie nach könnten sich vor dem heute vorherrschenden Erbmolekül DNA zunächst RNA-basierte Lebensformen entwickelt haben. Denn RNA benötigt keine zusätzlichen Enzyme für den Aufbau.

Irgendwann müssen in der „Ursuppe“ aber auch die ersten Proteine dieser Art entstanden sein: „Alles Leben auf der Erde wird von Elektronentransfer-Reaktionen angetrieben. Sämtliche Stoffwechsel im Lebensstammbaum haben zum Beispiel biologische Redoxreaktionen miteinander gemein – und diese Reaktionen werden durch Enzyme katalysiert“, erklären Hagai Raanana von der Rutgers University in Brunswick und seine Kollegen. Konkret handelt es sich bei diesen Enzymen um Vertreter der Oxidoreduktasen.

Proteinstrukturen im Blick

Über den Ursprung und die evolutionäre Entwicklung dieser für das Leben auf der Erde so wichtigen Proteine ist jedoch kaum etwas bekannt. Heutige Oxidoreduktasen sind chemisch und strukturell sehr komplex. „Wir gehen davon aus, dass sich diese Proteine von einem kleinen Satz urtümlicher Strukturen entwickelt haben, die im Laufe der Zeit immer vielfältiger wurden“, sagen die Forscher. Wie könnte dies vonstattengegangen sein?

Um das herauszufinden, haben sich Raanana und seine Kollegen nun nicht nur die Aminosäuresequenzen heutiger Proteine angeschaut, sondern sich vor allem auf deren dreidimensionale Faltstruktur konzentriert. Der Grund: Diese Strukturen verändern sich weniger schnell als die Sequenzen und sind daher besser geeignet, um weit zurückliegende Evolutionsprozesse zu rekonstruieren.

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Zwei frühe Kandidaten

Mithilfe vergleichender Strukturanalysen und Modellsimulationen versuchten die Wissenschaftler den Blick in die Vergangenheit: Sie vollzogen nach, aus welchen Grundbausteinen vor 3,5 bis 2,5 Milliarden Jahren theoretisch die ersten Oxidoreduktasen hervorgegangen sein könnten.

Ihre Ergebnisse legen nahe, dass zwei einfache Strukturelemente die Ausgangsbasis früher Oxidoreduktasen gewesen sein könnten: die sogenannte Ferrodoxin-Faltung und die Rossmann-Faltung. Erstere bindet an Eisen-Schwefel-Verbindungen, über Rossmann-Strukturdomänen binden Proteine dagegen an Nukleotide – die Bausteine von DNA und RNA.

Ein gemeinsamer Vorfahre

Weitere Auswertungen deuteten den Forschern zufolge zudem daraufhin, dass diese beiden Strukturelemente womöglich wiederum aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgegangen sind. Stimmt das, könnte dieses Peptid eines der ersten Stoffwechselenzyme des Lebens gewesen sein. „Wir leiten einen mutmaßlichen gemeinsamen Vorfahren ab, der in den frühesten Phasen des Metabolismus existiert haben könnte“, erläutern Raanana und sein Team.

„Über Duplikation, die Rekrutierung anderer Proteine und Diversifizierung könnte sich dieses urtümliche Protein weiterentwickelt haben, um Elektronentransfer und Redoxkatalysen zu ermöglichen“, schreiben die Wissenschaftler.

Die ersten Stoffwechselproteine?

„Wir wissen sehr wenig darüber, wie das Leben auf unserem Planeten begonnen hat. Diese Arbeit hat es uns ermöglicht, weit zurück in die Vergangenheit zu schauen, auf die frühesten metabolischen Proteine“, sagt Raananas Kollege Vikas Nanda. Klar ist aber auch: „Wir können nur herleiten, was passiert sein könnte und nicht beweisen, was tatsächlich passiert ist“, betonen die Forscher.

Um ihre Hypothese auf die Probe zu stellen, werden sie als nächsten Schritt Experimente im Labor durchführen. Diese sollen zeigen, ob Modellproteine mit einfachen Formen von Ferrodoxin- und Rossmann-Faltungen tatsächlich für den Stoffwechsel wichtige Reaktionen auslösen können. Bestätigt sich ihr Verdacht, wäre dies auch für die Suche nach Leben auf anderen Planeten interessant. (PNAS, 2020; doi: 10.1073/pnas.1914982117)

Quelle: Rutgers University

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