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Genetik

Ursprung der Hauspferde geklärt

Genanalysen lösen Rätsel um die Abstammung aller modernen Pferde

Pferde
Bisher war strittig, von welchen wilden Vorfahren die heutigen Pferde abstammen und wo diese Urahnen domestiziert wurden. © Ludovic Orlando

Vorfahren gefunden: Alle heutigen Hauspferde stammen offenbar von Wildpferden ab, die vor rund 4.200 Jahren in der pontisch-kaspischen Steppe des Nordkaukasus domestiziert wurden. Das zeigen genetische Analysen, die nun in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden. Von ihrem Ursprungsort aus haben sich die neu domestizierten Tiere dann innerhalb weniger Jahrhunderte über Eurasien verbreitet und alle zuvor dort lebenden Wildpferdepopulationen verdrängt.

Wann und wo die Pferde ursprünglich domestiziert wurden und auf welche Wildpferd-Populationen unsere heutigen Hauspferde zurückgehen, war lange ein Rätsel. Die ältesten Hinweise auf domestizierte Pferde stammen aus Kasachstan, wo Nomaden offenbar schon vor 5.500 Jahren Pferde zähmten. Doch Genanalysen zeigten, dass diese sogenannten Botai-Pferde nicht die Urväter der Hauspferde sein können. Auch die Przewalsi-Pferde sind offenbar keine direkten Vorfahren unserer modernen Pferde und weitere vermutete Domestikationsherde wie Anatolien und die Iberische Halbinsel haben sich ebenfalls als falsch erwiesen.

Pferdehirte
Pferdehirte in der Mongolei. © Ludovic Orlando

Dem Urahn der Pferde auf der Spur

Ein Team um Pablo Librado von der Universität Paul Sabatier in Toulouse, Frankreich, hat die Analysen daher nun auf ganz Eurasien ausgedehnt. Die Forscher untersuchten die aus Skelettfunden isolierten Genome von 273 Pferden, die im Zeitraum zwischen 50.000 und 200 vor Christus in Eurasien lebten. Die dafür analysierten Pferderelikte stammten aus allen bisher als potenzielle Domestikationszentren in Betracht gezogenen Gebieten, darunter Anatolien, die Iberische Halbinsel sowie die Steppen im Westen Eurasiens sowie Zentralasiens.

Das Ergebnis: „Die Pferde, die in Anatolien, Europa, Zentralasien und Sibirien lebten, waren genetisch sehr unterschiedlich“, berichtet Librado. Aufgrund der DNA-Vergleiche konnte das Team vier große zeitlich und teils räumlich getrennte Pferdegruppen unterscheiden: Die älteste Gruppe umfasst Wildpferde der Art Equus lenensis, die bis vor rund 6.000 Jahren im Nordosten Sibriens lebten. Zur zweiten genetischen Stammesgruppe gehörten europäische Wildpferde, die von Spanien bis Großbritannien und Skandinavien verbreitet waren.

DIe dritte Gruppe bildeten Pferde aus Steppengebieten vom Ural bis zum Altai, für die bereits eine teilweise Domestikation angenommen worden war. Dazu gehörten auch die Botai und Przewalski-Pferde.

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Nordkaukasus als Wiege der Hauspferde

Doch allen drei Gruppen fehlte eine Gensignatur, die die vierte Gruppe, die Hauspferde, auszeichnete, wie das Team feststellte. Zwischen etwa 2.200 und 2.000 vor Christus gab es jedoch eine dramatische Veränderung: Ein einziges genetisches Profil, das zuvor auf die pontisch-kaspische Steppe im Nordkaukasus im heutigen Russland beschränkt war, begann sich weit über seine Heimatregion hinaus zu verbreiten, und verdrängte innerhalb weniger Jahrhunderte alle Wildpferdepopulationen vom Atlantik bis zur Mongolei.

Der Vergleich dieser sich rasch ausbreitenden genetischen Linie mit Genomen heutiger Pferde ergab: Es handelt sich tatsächlich um die langgesuchten Urahnen unserer Hauspferde. „Alles zusammengenommen demonstrieren unsere Ergebnisse, dass die Vorfahren der Hauspferde im späten vierten und frühen dritten Jahrtausend vor Christus im Westen der eurasischen Steppe lebten“, berichten Librado und seine Kollegen. Dort entstanden dann aus ihnen die ersten Pferde, die die gleiche genetische Signatur trugen wie heute alle Hauspferde.

Fügsam mit starkem Rückgrat

Von diesem Ausgangsort aus breiteten sich die Hauspferde nach ihrer Domestikation vor rund 4.000 Jahre rasant weiter aus: „Die genetischen Daten deuten auch auf eine explosionsartige Vermehrung der Pferde hin, die in den letzten 100.000 Jahren ihresgleichen sucht“, sagt Librados Kollege Ludovic Orlando. „Damals übernahmen Menschen die Kontrolle über die Fortpflanzung dieser Tierart und produzierten Pferde in beträchtlicher Anzahl.“

Die Genanalysen geben auch Hinweise darauf, warum ausgerechnet diese Pferde bei den damaligen Menschen so beliebt waren. So identifizierten die Forscher zwei Gene, die mit guten Reiteigenschaften in Verbindung stehen: Das eine ist mit einem fügsamen Verhalten assoziiert, das andere mit einem starken Rückgrat. Diese Gene wurden offenbar bei den frisch domestizierten Pferden positiv selektiert, während sie bei den Wildpferden im übrigen Eurasien weniger vorkamen.

Später domestiziert als vermutet

Die Studie zeigt, dass sich die gezähmten Pferde ungefähr zur gleichen Zeit in Asien ausbreiteten, wie Wagen mit Speichenrädern. Da die Domestizierung allerdings, wie aus den Daten hervorgeht, erst um 2.200 vor Christus stattfand, können die Pferde noch nicht daran beteiligt gewesen sein, als die Jamnaja-Reiternomaden im dritten Jahrtausend vor Christus aus den eurasischen Steppenregionen in weite Teile Europas wanderten.

„Bisher ging man davon aus, dass Pferde damals eine entscheidende Rolle bei der Mobilität spielten“, sagt Koautor Timo Seregély von der Universität Bamberg. „Das ist nun klar widerlegt. Ob wir für diese große, sich über mehrere Jahrhunderte und einige Zwischenetappen erstreckende Migrationswelle nun eher Rindergespanne als Mobilitätsfaktor ins Auge fassen können, müssen spätere Studien zeigen.“ Die Forscher gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse somit auch ein neues Licht auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften werfen können. (Nature, 2021, doi: 10.1038/s41586-021-04018-9)

Quelle: CNRS; Universität Bamberg

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