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Biologie

Überaktive Abwehr ist hemmend

Auch für das Immunsystem gilt: Weniger ist oft mehr

Bei Infektion mit Listeria monocytogenes (grün) können zu viele NK- Zellen die neutrophilen Granulozyten (rot) blockieren. © HZI / Jablonska

Das Immunsystem arbeitet am besten, wenn es sehr aktiv ist – so die allgemeingültige Auffassung. Das dies nicht immer stimmt, haben Infektionsforscher nun festgestellt: Unter anderem ist der Zeitpunkt entscheidend, wann die Abwehrzellen aktiv werden.

Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) erfüllen als Teil des angeborenen Immunsystems wichtige Funktionen bei der Abwehr von Erregern. Seit langem gelten sie als eine der ersten Instanzen im Kampf gegen Infektionen. Daher ging man davon aus, dass der Körper gar nicht genug von ihrer Aktivität haben kann. Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig sind dieser Frage nachgegangen und veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie jetzt im Fachjournal „European Journal of Immunology“.

Die Wissenschaftler entfernten bei Mäusen die NK-Zellen in der Frühphase einer Infektion mit dem Bakterium Listeria monocytogenes vorübergehend und stellten fest, dass die Mäuse überlebten. Normalerweise führt das Bakterium, der Krankheitserreger für Listeriosen, bei den Tieren oft zu einer tödlichen Blutvergiftung. Auch für den Menschen kann die Krankheit tödlich sein.

Weniger ist effektiver

Bisher ging man davon aus, dass Tiere und Menschen an solchen Erkrankungen sterben, weil ihre Killerzellen die Infektion nicht ausreichend bekämpfen. Jetzt zeigen die Ergebnisse der Forscher genau das Gegenteil: Das Prinzip „Je mehr desto besser“ gilt für die Killerzellen nicht. „In bestimmten Phasen der Immunabwehr scheint es besser zu sein, weniger aktive natürliche Killerzellen zu haben“, sagt Jadwiga Jablonska-Koch. „Dies gilt vor allem in der Anfangsphase der Infektion, dem Zeitpunkt also, an dem man die Zellen bisher für am wichtigsten hielt“.

Die Killerzellen geben zwar tatsächlich geeignete Botenstoffe ab, die die Immunabwehr stimulieren. Allerdings produzieren sie den Botenstoff Interferon IFN-gamma im Überschuss. Dies führt dazu, dass das Andocken von neutrophilen Granulozyten an den Infektionsort blockiert wird. Neutrophile Granulozyten, die häufigsten weißen Blutkörperchen im Blut, sind aber ein wichtiger Bestandteil der Immunabwehr. Denn als sogenannte „Fresszellen“ sind sie in der Lage, Bakterien aufzunehmen und zu zerstören. Werden sie jedoch in der Anfangsphase der Infektion daran gehindert, an den Infektionsherd zu gelangen, können die Bakterien ungestört wachsen und sich verbreiten. Genau das kann dann zum Tod führen.

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Auf die richtige Balance kommt es an

Keine NK-Zellaktivität ist allerdings ebenso schädlich wie eine überreagierende, denn auch dann können die Bakterien ungehindert in die Organe vordringen. Vor allem in späteren Phasen der Erkrankung werden sie dringend benötigt. „Es geht darum, die richtige Balance der NK-Aktivität zu finden, um andere Immunzellen zu aktivieren und die Fresszellen nicht zu blockieren“, so Jablonska-Koch.

Es gilt noch herauszufinden, wo genau diese Balance liegt. Immerhin konnten die Forscher zeigen, dass im späteren Verlauf der Krankheit auch größere Aktivitäten der NK-Zellen hilfreich sind, um die Infektion erfolgreich zu bekämpfen. Die Erkenntnisse der HZI-Wissenschaftler könnten in Zukunft vor allem aus medizinischer Sicht von Bedeutung sein.

Sollten die Ergebnisse auch bei Menschen und für andere Bakterienstämme zutreffen, könnten sie langfristig zu neuen Behandlungsmöglichkeiten bei Infektionskrankheiten führen. „Wenn man genau weiß, wie die Killerzellen wirken, dann kann man dies in der Behandlung gezielt einsetzen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg“, so Jablonska-Koch.

(doi: 10.1002/eji.201242937)

(Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 26.07.2013 – SEN)

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