Bakterien, die bei Pflanzen Tumore erzeugen, lassen sich von der pflanzlichen Verteidigung nicht beirren, sondern nutzen sie für ihre eigenen Zwecke: Sie schleusen ihre Gene mithilfe pflanzlicher Proteine in den Zellkern der befallenen Pflanzenzellen ein und programmieren dann deren Stoffwechsel für ihre Zwecke um. Im Fachmagazin“Science“ berichten Forscher über diesen bisher unbekannten Vorgang.
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In Europa kontrovers diskutiert – vom Agrobakterium geschickt praktiziert: die genetische Manipulation von Pflanzen. Das Bodenbakterium Agrobakterium tut dies durch das Einschleusen eigener DNA in den Zellkern und in der Folge in das Erbgut der Pflanzenzelle. Die so genmanipulierten Pflanzen werden daraufhin zur ungehinderten Zellteilung und für die Bakterien nützlichen Nährstoffproduktion umprogrammiert. Nicht geklärt war bisher der genaue Vorgang, wie die Bakteriengene in den Zellkern transportiert werden – zumal die Verteidigungsmaschinerie der Pflanzenzelle bereits sehr rasch nach der bakteriellen Invasion anläuft.
Protein VIP1 als Schwachunkt der Verteidigung
Ein überraschendes Detail dieses Vorgangs haben nun Professor Heribert Hirt und sein Team an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und dem URGV Plant Genomics Institute bei Paris entdeckt. Die zentrale Rolle spielt dabei ein als VIP1 bezeichnetes Protein der Pflanzenzelle. Über dieses Protein war zwar bekannt, dass es den Transport der als T-DNA bezeichneten bakteriellen DNA in den Zellkern der Pflanzenzelle unterstützt, doch blieb die genaue Funktion von VIP1 ungeklärt.
„Wir konnten zeigen, dass VIP1 ein Protein ist, das verschiedene Gene zur Abwehr der bakteriellen Invasion reguliert“, erklärt Hirt. „VIP1 kommt allerdings zunächst nur im Zytoplasma der Zelle vor und muss zur Erfüllung seiner Regulierungsfunktion in den pflanzlichen Zellkern gelangen. Genau diesen Transport von VIP1 benutzt das Bakterium, um seine T-DNA mit in den Zellkern einzuschleusen.“
Trojanisches Pferd in der Pflanzenzelle
Hirt vergleicht diese Strategie, bei der die Verteidigung der Pflanze unabwendbar zum eigenen Untergang beiträgt, mit der des berühmten Trojanischen Pferdes. „Pflanzen verfügen über eine Immunabwehr, die nach dem Erkennen bestimmter Moleküle der Eindringlinge gestartet wird und auf der Aktivierung von Genen im Zellkern beruht“, so der Forscher. Nach der Erkennung des Eindringlings werden bestimmte Proteinkinasen im Zytoplasma aktiviert, also Enzyme, die durch das Anhängen von Phosphatgruppen die Aktivität anderer Proteine regulieren. Eines der Proteine, das von diesen Proteinkinasen phosphoryliert wird, ist das VIP1, dem erst nach dessen Phosphorylierung Zugang in den Zellkern gewährt wird, um dort die entsprechenden Abwehrgene einzuschalten.
Freund und Feind gemeinsam eingeschleust
Für die frühen Vorgänge in einer infizierten Pflanzenzelle zeichnet sich damit folgendes Modell ab: Das Eindringen der T-DNA und das Erkennen des Bakteriums als Eindringling erfolgt zeitgleich. Während VIP1 im Zytoplasma von den Proteinkinasen phosphoryliert wird, heftet sich die bakterielle T-DNA an VIP1 und kann in der Folge unerkannt mit in den Zellkern eingeschleust werden.
Es erfolgt somit das gemeinsame Eindringen von Freund und Feind. Einmal im Zellkern, wird die T-DNA abgelesen und es beginnt der Prozess der Tumorbildung – gleichzeitig wird die Verteidigung der Pflanzenzelle durch die Aktivierung der Abwehrgene aufgebaut. Zu spät jedoch: die Zelle ist bereits transformiert.
(Universität Wien, 22.10.2007 – NPO)