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Paläontologie

Trilobiten hatten doch Stirnaugen

Wissenschaftler identifizieren erstmals Medianaugen bei Trilobitenfossilien

trilobit
Dieser Trilobit der Art Aulacopleura koninckii besaß im Larvenstadium drei Medianaugen. © Brigitte Schoenemann

Sie hatten sie doch: Wissenschaftler haben nun auch bei Trilobiten drei sogenannte „Medianaugen“ entdeckt, die auf der Stirn zwischen den Facettenaugen sitzen. Da solche Stirnaugen bei allen Verwandten der Trilobiten vorkommen, war es lange Zeit ein Mysterium, warum sie selbst offenbar keine hatten. Doch neu begutachtete Funde zeigen nun, dass die Medianaugen wahrscheinlich unter einer ehemals transparenten Panzerschicht lagen, die beim Versteinern nachgedunkelt ist und die Extra-Augen so bisher vor dem Blick der Wissenschaftler verborgen hat.

Trilobiten gehören zu den Stars des Erdaltertums. Paläontologen erforschen die meeresbewohnenden Gliederfüßer bereits seit 150 Jahren, lernen aber immer noch Neues über sie. Zum Beispiel, dass es unter ihnen Kannibalismus gab oder dass sie sich manchmal im Gänsemarsch fortbewegten. Von besonderem Interesse sind auch die Augen der ausgestorbenen, asselähnlichen Tiere. Sie besaßen bereits überraschend moderne und komplexe Facettenaugen, ähnlich wie heutige Insekten. Doch während Insekten und andere Gliederfüßer zusätzlich zu den Facettenaugen auch sogenannte „Medianaugen“ auf der Mitte der Stirn haben, konnten diese bei Trilobiten bisher nicht nachgewiesen werden.

Hornisse
Auch moderne Insekten, darunter diese Hornisse, besitzen zusätzliche Augen auf ihrer Stirn. © Holger Casselmann/CC-by-sa 3.0

Ein abgeschabter Kopf als entscheidender Hinweis

Medianaugen sind kleine Becheraugen, die manchmal mit Linsen ausgerüstet sind. Damit sind sie menschlichen Augen nicht unähnlich. Ihre Funktion variiert je nach Tier und ist noch nicht vollständig geklärt. Ebenfalls ungeklärt ist, ob Trilobiten tatsächlich keine Medianaugen hatten, obwohl diese typisch für Gliederfüßer sind. Brigitte Schoenemann von der Universität zu Köln und Euan Clarkson von der University of Edinburgh hatten stattdessen den Verdacht, dass die nur einige Zehntel Mikrometer großen Extra-Augen bisher schlicht übersehen wurden.

Dieser Verdacht hat sich nun bestätigt – mithilfe eines auf den ersten Blick unscheinbaren Fossils des bodenbewohnenden Trilobiten Aulacopleura koninckii, bei dem ein Teil des Kopfes abgeschabt ist. Was zunächst wie ein Schönheitsfehler erschien, erwies sich für Schoenemann und Clarkson als Glücksfall. Denn die abgeschabte Panzerung legte den Blick auf drei fast identisch geformte Flecken frei.

„Alle drei Flecken zeichnen sich durch einen glatten, klaren Umriss und eine gleichmäßige, dunkelbräunliche Farbe aus“, schreiben die Paläontologen. Außerdem sind sie parallel aneinandergereiht und fächern sich auf der Unterseite leicht auf.

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Medianaugen bei mindestens zwei Trilobiten

Schoenemann und Clarkson schließen aus diesen Merkmalen: Bei den Flecken muss es sich um die Medianaugen von Aulacopleura handeln. Das klare, regelmäßige Aussehen der Flecken entspricht genau den Überbleibseln, die von pigmentierten Medianaugen zu erwarten sind, erklären sie. Außerdem schließt die gleichmäßige Form der Gebilde aus, dass sie nur zufällig – etwa durch Verwesung oder Fossilisierung – entstanden sind.

Das Duo konnte auch bei einem weiteren Trilobiten drei Medianaugen identifizieren: bei dem im freien Ozean schwimmenden Cyclopyge sibilla. Seine fossilen Überreste sind ebenso wie die von Aulacopleura über 400 Millionen Jahre alt. Die Extra-Augen von Cyclopyge bestehen jeweils aus etwa sechs Zellen mit einem zentralen Element, vermutlich einer Linse. Den Forschenden zufolge waren sie damit deutlich differenzierter und wohl wesentlich leistungsfähiger als die des am Meeresboden lebenden Aulacopleura.

Doch warum sind die Medianaugen der Trilobiten trotz intensiver Forschung zuvor niemandem aufgefallen? Schoenemann und Clarkson vermuten, dass sie bei diesen urzeitlichen Arthropoden nur im Larvenstadium vorkamen und deshalb nicht in jedem Fossil nachweisbar sind. Außerdem lagen die Medianaugen wahrscheinlich einst unter einem dünnen, durchsichtigen Panzer, der Kutikula. Im Zuge der Versteinerung verlor die Kutikula allerdings ihre Transparenz und verhüllte die Medianaugen im Inneren des Fossils.

Augenanzahl zeigt Platz im Stammbaum auf

Die Anzahl der Medianaugen ist auch eine wichtige Kennziffer, wenn es darum geht, Gliederfüßer im evolutionären Stammbaum zu platzieren. „Die ursprüngliche Anzahl der Medianaugen ist zwei, wie noch bei den heutigen, sehr konservativen Spinnentieren“, erklärt Schoenemann. Diese Doppelaugen kennzeichneten die gemeinsamen Vorfahren der Arthropoden. Die ersten ursprünglichen Gliedertiere entwickelten dann vier Medianaugen, vermutlich als Folge einer Genduplikation.

Erst im Verlauf der weiteren Arthropoden-Evolution verschmolzen dann die beiden zentralen Medianaugen miteinander und es entwickelte sich die heute für Gliederfüßer typische Zahl von drei Medianaugen, wie sie auch bei modernen Insekten und Krebstieren vorkommt. Die Trilobiten mit ihren drei Mittelaugen lassen sich demnach evolutionär bereits in diese fortgeschrittene Gruppe einordnen, wie das Forschungsteam berichtet. (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-31089-7)

Quelle: Universität zu Köln, Scientific Reports

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