Rekordflug über den Pazifik? Ein an der Westküste Kanadas gefundener Vogel gibt Biologen Rätsel auf. Denn es handelt sich um einen asiatischen Malaiensegler, eine noch nie in Nordamerika beobachtete Vogelart. Der Zustand des Vogels spricht dagegen, dass er mittels Flugzeug oder Schiff eingeschleppt wurde. Stattdessen muss das Tier die Weiten des Pazifiks fliegend überquert haben – und starb dann am Ziel aus Erschöpfung.
Das selbst kleine Vögel schier unglaubliche Flugleistungen vollbringen, zeigt sich immer wieder. So fliegt der Steinschmätzer jeden Winter einmal um die halbe Erde – 14.500 Kilometer weit. Der Alpensegler legt zwar weniger Strecke zurück, bleibt dafür aber sieben Monate pausenlos in der Luft. Unser heimischer Mauersegler schafft sogar zehn Monate im Dauerflug.
Fern der Heimat
Jetzt könnnte Zoologen einen neuen gefiederten Rekordhalter entdeckt haben: einen Malaiensegler (Apus nipalensis). Diese Vogelart ist in Indien und Teilen Chinas bis nach Südostasien und Japan verbreitet. Im Gegensatz zu unseren Mauerseglern ist er nach bisherigem Wissen kein Zugvogel – und kommt in Nordamerika nicht vor.
Umso rätselhafter ist der Fund eines toten Malaienseglers an der Küste von British Columbia in Kanada. Der Kadaver des erst kurz zuvor gestorbenen Vogels lag auf dem Gelände eines Containerminals, rund 40 Meter vom Pazifik entfernt. Zunächst konnten die Biologen kaum glauben, dass es sich um einen Malaiensegler handelte. Doch DNA-Analysen bestätigten, dass es sich bei dem Vogel tatsächlich um einen Malaiensegler aus Asien handelte.
Als blinder Passagier gereist?
Die große Frage war nun: Wie war dieser asiatische Vogel nach Kanada gelangt? Eine Möglichkeit wäre als blinder Passagier: Manchmal nisten oder rasten Vögel auf Frachtschiffen oder geraten aus Versehen in die Radkästen von Flugzeugen. Dann können sie über die halbe Erde mitgeschleppt werden.
Doch nach Ansicht der Forscher spricht der Zustand der Vogels dagegen: Sie fanden keine Anzeichen dafür, dass der Malaiensegler irgendwo eingesperrt war. Untersuchungen ergaben weder Federverletzungen, noch Abschürfungen oder Ölspuren an dem Tier. Auch andere Verletzungen fehlten.
Tod nach Marathonflug?
Allerdings: Der Vogel war stark untergewichtig und seine Muskeln und seine Organe waren geschrumpft – wie es typischerweise bei Hunger und Auszehrung vorkommt. „Die Todesursache ist schwer festzustellen“, sagt Ildiko Szabo von der University of British Columbia. „Es scheint aber am ehesten, dass dieser Malaiensegler aus Erschöpfung starb.“
Die Forscher vermuten daher, dass der kleine Malaiensegler den Pazifik aus eigener Kraft überquert haben muss – im Dauerflug. „Segler sind hervorragende Flieger und können Monate in der luft bleiben“, meint Szabo. „Wie ein Marathonläufer schaffte es dieser kleine Kerl offenbar gerade bis zu Ziellinie, bevor er völlig erschöpft abstürzte und starb.“ Sollte sich dies bestätigen, dass wäre dies ein Rekordflug für einen Malaiensegler – und ein weiteres Beispiel für die unglaublichen Flugleistungen dieser Tiere.
Mysteriös bleibt jedoch, was den Malaiensegler überhaupt zu diesem Flug bewegte. Denn diese Art führt normalerweise keine langen Wanderzüge durch – und schon gar nicht quer über den Pazifik. Die Forscher vermuten, dass ein Sturm den kleinen Vogel unfreiwillig weit auf das Meer hinausgeweht haben könnte. Weil dann sein innerer Kompass nicht mehr richtig funktionierte, flog er dann in die falsche Richtung weiter – nach Osten Richtung Kanada statt nach Asien zurück. (Wilson Journal of Ornithology, 2017; 129(2):411–416, 2017)
(University of British Columbia, 01.06.2017 – NPO)