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Umwelt

Tiefseebergbau bedroht „dunkle“ Arten

DNA-Analysen enthüllen unerkannte Artenvielfalt im künftigen Abbaugebiet

Schlangenstern
Dies ist nur einer der am Tiefseegrund entdeckten Schlangensterne – ein Großteil von ihnen ist der Wissenschaft noch völlig unbekannt. © Senckenberg Gesellschaft

Verborgene Lebenswelt: Der Tiefseebergbau könnte mehr ökologischen Schaden anrichten als bisher angenommen. Denn Forscher haben allein im künftigen Manganknollen-Abbaugebiet Deutschlands mehr als 40 Schlangenstern-Arten entdeckt – ein Großteil davon war zuvor völlig unbekannt. Ihr Fund legt nahe, dass am Meeresgrund der Tiefsee unzählige noch unbekannte Spezies leben – und dass diese „dunkle“ Artenvielfalt durch einen Abbau akut gefährdet wäre.

Die Tiefsee ist erst in Teilen erkundet, doch ihre reichen Erzvorkommen wecken schon jetzt Begehrlichkeiten. Deshalb wurden am Grund des zentralen Pazifiks bereits Explorationslizenzen für einen künftigen Tiefseebergbau vergeben, darunter auch an Deutschland. In dieser „Clarion Clipperton Zone“ untersuchen Forscher seither mögliche Abbaustrategien, aber auch die ökologischen Folgen solcher Eingriffe in die Tiefsee-Ökologie – und diese wären ersten Ergebnissen zufolge langanhaltend und gravierend.

Hinzu kommt: „Obwohl es hier bereits konkrete Abbaupläne für Manganknollen gibt, ist die Zone hinsichtlich ihrer Artenvielfalt noch längst nicht vollständig erforscht“, erklärt Erstautorin Magdalini Christodoulou vom Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung in Wilhelmshaven.

Unerwartete Vielfalt

Um mehr über die Artenvielfalt der Tiefsee zu erfahren, haben Christodoulou und ihr Team mittels DNA-Barcoding nach noch unbekannten Bewohnern der Clarion Clipperton Zone gefahndet. Bei dieser Methode werden winzige Gewebeproben von Organismen einer Erbgut-Analyse unterzogen. Anhand bestimmter Markergene können Wissenschaftler dann bestimmen, zu welcher Spezies und Stammeslinie das Lebewesen gehört.

Dabei entdeckten die Forscher Überraschendes: Am vermeintlich nur karg besiedelten Meeresgrund lebten gleich 42 verschiedene Arten von Schlangensternen (Ophiuroidea), langarmigen Verwandten unserer Seesterne. „Diese Fauna hat damit verglichen mit anderen Tiefsee-Faunen eine hohe Artenvielfalt – sie ist selbst verglichen mit manchen Flachwasser-Faunen noch sehr artenreich“, so Christodoulou und ihre Kollegen.

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Der Großteil ist noch unbekannt

Von diesen Schlangensternen sind die meisten wissenschaftlich unbeschrieben und gehören damit ganz neuen Arten an, wie die Forscher berichten. Einige der Tiere gehören sogar zu ganz neuen Abstammungslinien, die sich seit mehr als 70 Millionen Jahren getrennt von anderen Schlangensternen in der Tiefsee entwickelt haben. Sie bilden damit eine ganz eigene Gruppe dieser Stachelhäuter.

Nach Ansicht der Wissenschaftler illustrieren diese Funde, wie groß die Lücke zwischen den bekannten Tiefseearten und der tatsächlich am Meeresgrund vorhandenen Artenvielfalt ist. „Es ist bemerkenswert, dass selbst die Diversität großer Meerestiere, wie der Schlangensterne, bisher in der Tiefsee nahezu unbekannt ist“, sagt Christodoulous Kollege Pedro Martinez Arbizu.

Gefahr für „dunkle“ Artenvielfalt

Sollten in Zukunft in diesem und anderen Gebieten der Tiefsee tatsächlich Manganknollen und andere Erzvorkommen abgebaut werden, könnte diese noch im Dunkeln liegende Artenvielfalt unwiederbringlich vernichtet werden. „Der Mangel an solch grundsätzlichen Informationen zu Beginn des kommerziellen Abbaus von Manganknollen kann zum Verlust von Arten führen, bevor sie beschrieben oder gar entdeckt wurden“, warnt Martinez Arbizu.

Nach Ansicht der Forscher ist es daher extrem wichtig, vor Beginn des Tiefseebergbaus dieses verborgene Reich unseres Planeten noch viel genauer zu erkunden. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2019.09.012)

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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