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Biologie

Tiefsee-Kraken paaren sich mit beiden Geschlechtern

Wahllose Begattung als Anpassung an dunklen, dünn besiedelten Lebensraum

Ein weiblicher Tiefsee-Krake der Art Octopoteuthis deletron mit als weißliche Flecken sichtbaren Spermiensäckchen auf den oberen Armen. © 2007 MBARI

Die Männchen von Tiefsee-Kraken sind bei der Wahl ihres Geschlechtspartners nicht wählerisch: Sie paaren sich genauso oft mit Weibchen wie mit Männchen der eigenen Art. Das haben US-amerikanische Forscher jetzt durch Videobeobachtungen der im Pazifik vorkommenden Art Octopoteuthis deletron festgestellt. „Dies ist das bisher einzige wirbellose Tier, bei dem gleichgeschlechtliche Paarungen gleich häufig vorkommen wie die mit dem anderen Geschlecht“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biology Letters“ der britschen Royal Society.

Über das Fortpflanzungsverhalten von Tiefsee-Kraken war bisher nur wenig bekannt, sagen die Forscher. Erst die Beobachtung mit Hilfe von ferngesteuerten Tauchrobotern habe hier neue Einblicke geliefert. Demnach platziert das Kraken-Männchen bei der Paarung zunächst ein Millionen von Spermien enthaltenden Spermienpaket auf der Haut seines Gegenübers. Dies geschieht mit Hilfe eines speziell dafür angepassten Arms. Einmal auf der Haut verankert, geben die Pakete mehrere Spermiensäckchen, sogenannte Spermatangien, frei. Aus diesen bohren sich die Spermien in die Gewebe der Weibchen ein, um dort die Eizellen zu befruchten. Die leeren Spermatangien bleiben auf der Haut der Tiere hängen und lassen sich daher als Indizien für eine kürzlich erfolgte Paarung nutzen.

Ferngesteuerter Tauchroboter filmte Tiefsee-Kraken

Für ihre Studie hatten die Forscher zwischen 1992 und 2011 insgesamt 108 Tiefsee-Oktopusse mit Hilfe eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs gefilmt. Die Aufnahmen entstanden vor der Küste Kaliforniens in 400 bis 800 Metern Tiefe. Bei der Analyse der Bilder ermittelten die Wissenschaftler das Geschlecht der Tiere und werteten die Anzahl der Spermiensäckchen auf der Haut der Tiere aus.

Die Forscher fanden dabei auf neun Männchen und zehn Weibchen solche leeren Spermatangien. Die etwa gleiche Anzahl von begatteten Männchen und Weibchen sei ein Hinweis darauf, dass Paarungen unter Männchen bei den Kraken keine Ausnahmeerscheinung sei, sondern in gleicher Häufigkeit vorkomme wie die Begattung von Weibchen.

Die im Durchschnitt 15 bis 147 Spermiensäckchen seien sowohl auf der Bauchseite als auch auf dem Rücken der Tiere platziert gewesen. Die Spermatangien auf dem Rücken lagen außerhalb der Reichweite der eigenen Übertragungsorgane dieser Männchen, wie die Forscher berichten. Die Tiere hätten sich dort nicht selbst begatten können. Die Spermiensäckchen müssten daher von anderen Männchen stammen, schließen Hoving und seine Kollegen.

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Anpassung an dunklen, einsamen Lebensraum

„Diese Strategie ist wahrscheinlich eine Anpassung an ihren dunklen, wenig besiedelten Tiefsee-Lebensraum“, sagt Hauptautor Henk-Jan Hoving vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Kalifornien. Dort seien potenzielle Partner dünn gesät und in der Dunkelheit der Tiefsee für die Oktopusse möglicherweise schwer zu identifizieren. Männchen und Weibchen seien zudem nahezu gleich groß und einander sehr ähnlich.

„Wir vermuten, dass die gleichgeschlechtliche Paarung Teil einer Fortpflanzungsstrategie ist, die den Erfolg maximiert, indem die Männchen wahllos und schnell jeden Artgenossen mit Spermienpaketen versehen, dem sie begegnen“, schreiben die Forscher. Zwar führt der Austausch von Spermienpaketen zwischen zwei Männchen zu keinem Fortpflanzungserfolg, dafür ist aber sichergestellt, dass kein Weibchen ungepaart aus einer solchen Begegnung hervorgeht. (Biology Letters, 2011; doi:10.1098/rsbl.2011.0680)

(Royal Society, 21.09.2011 – NPO)

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