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Biologie

Tiefsee-Anemone lebt ziemlich ungewöhnlich

Nesseltier gräbt Gänge in den Meeresboden und frisst sogar große Würmer

Die unscheinbare Tiefsee-Anemone Iosactis vagabunda ist ziemlich beweglich - und gefräßig © National Oceanography Centre

Kleines Nesseltier mit Riesenhunger: Eine nur rund drei Zentimeter kleine Seeanemone der Tiefsee fängt und frisst Tiere, die bis zu sechs Mal schwerer sind als sie. Statt mit wedelnden Tentakeln umherzustehen, wandert sie zudem unter und auf dem Meeresboden umher. Das haben Forscher mit Hilfe von Aufnahmen eines Tauchroboters herausgefunden. Erstmals gelang es ihnen damit, das ungewöhnliche Fress- und Bewegungsverhalten der geheimnisvollen Tiefsee-Anemone einzufangen.

Seenanemonen auf Korallenriffen sind nichts Ungewöhnliches. Mit ihren Tentakeln locken sie kleine Fische oder Krebse an und betäuben sie mit ihrem Nesselgift. Wie sich aber die Anemonen der Tiefsee ernähren und verhalten, war bisher nahezu unbekannt. Zu diesen gehört auch Iosactis vagabunda, eine rund drei Zentimeter kleine Anemone, die in gut 4.800 Metern Tiefe im Nordatlantik vorkommt – und damit zu tief, um von Tauchern besucht zu werden.

Buddeln im Tiefseeboden

Jennifer Durden und ihre Kollegen vom National Oceanography Centre in Southampton haben nun das geheime Leben dieser Tiefseeanemone aufgeklärt. Dazu schickten sie das ferngesteuerte Tauchboot Autosub6000 bis auf den Grund der Porcupine Abyssal Plain hinunter, rund 450 Kilometer vor der Westspitze Englands. Durch Zeitrafferaufnahmen konnten die Forscher sowohl die Häufigkeit als auch das Bewegungs- und Fressverhalten der Anemone ermitteln.

Wie sich herausstellte, hat die Tiefsee-Anemone ein ziemlich skurriles Verhalten: Statt sich hinzustellen und mit Tentakeln zu wedeln, vergräbt sie sich immer wieder im Sand – wahrscheinlich um sich vor Fressfeinden zu verbergen. Zwischendurch aber wandert sie sowohl über als auch unterirdisch umher, wie die Forscher berichten. „Dieses hemisessile Verhalten ist ziemlich einzigartig unter den Nesseltieren der Tiefsee“, so Durden und ihre Kollegen.

Suchbild: Zuerst ist die Anemone nur an den subtilen Bewegungen des Meerresbodens zu erkennen, erst dann taucht sie auf.© Durden et al. / National Oceanography Centre

Zehn Zentimeter langer Wurm als Beute

Und auch das Fressverhalten der Anemone entpuppte sich als ziemlich ungewöhnlich. Denn Iosactis vagabunda sammelt einerseits kleinere organische Partikel von der Sedimentoberfläche auf. Andererseits aber scheut sie auch nicht davor zurück, Borstenwürmer zu fangen, die sechs Mal schwerer sind als sie selbst. Die nur rund zwei Zentimeter große Anemone musste sich allerdings ziemlich mühen, um das zehn Zentimeter langen Wurm zu verschlingen:

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„Die Anemone dehnte ihre Mundöffnung, um den Wurm in Gänze aufnehmen zu können“, berichten die Forscher. „Acht Stunden nach dem Fang hatte sie den Wurm fast ganz verschlungen, nur ein Ende schaute noch heraus.“ Die Anemone hatte sich dabei so nach oben hin ausgedehnt, dass sie selbst einem aufrechtstehenden Polypen ähnelte. Es dauerte insgesamt 80 Stunden, bis das Nesseltier ihre Riesenmahlzeit verdaut hatte.

„Diese neuen Beobachtungen sind wichtig, um das Leben auf der Erde zu verstehen, denn die Ebenen der Tiefsee machen immerhin mehr als 50 Prozent der Planetenoberfläche aus“, sagt Durden. Wenn die Anemone Iosactis vagabunda tatsächlich mehr als die Hälfte aller Organismen auf diesen Ebenen ausmacht, dann könnte sie eine Schlüsselrolle für dieses Ökosystem und seine Nährstoffflüsse spielen. (Deep Sea Research I:, 2015; doi: 10.1016/j.dsr.2015.04.010)

(National Oceanography Centre, UK, 06.07.2015 – NPO)

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