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Psychologie

Tetris dämpft ungesunde Gelüste

Ablenkung durch das Handy-Spiel verringert Begierden und stärkt die Selbstkontrolle

Tetris-Spiel auf dem Handy © Plymouth University/ Lloyd Russell

Hilfe gegen ungesunde Gelüste: Haben Sie einen Jieper auf ungesundes Junkfood, Zigaretten oder Alkohol? Dann könnte eine Runde Tetris spielen helfen. Denn schon nach drei Minuten des Spielens hilft diese Ablenkung, Begierden zu dämpfen, wie ein Experiment nun zeigt. Ob dieser Effekt allerdings auch gegen die Gier nach härteren Drogen nutzt, müssen weitere Experimente erst noch zeigen.

Abnehmen und gesünder Leben wäre so leicht, wenn da nicht diese schwer zu zügelnde Lust auf Süßigkeiten, Junkfood und andere ungesunde Leckereien wäre. Diese Begierden zu überwinden, schaffen nur die wenigsten auf Dauer – weshalb die meisten Übergewichtigen auch am Abnehmen scheitern, wie erst kürzlich eine Studie belegte. Noch schwerer ist es, sich das Rauchen abzugewöhnen oder für Alkoholiker, trocken zu bleiben.

Worauf hast du gerade Lust?

Doch ein verblüffend einfaches Mittel könnte helfen, ungesunden Begierden zu widerstehen, wie Jackie Andrade von der Plymouth University in Großbritannien und ihre Kollegen in einem Experiment herausfanden. Dafür fragten sie 31 Studenten via Textmessage mehrfach täglich danach, ob und welche Begierden sie gerade verspüren und wie stark diese Gelüste waren.

Zusätzlich teilten die Teilnehmer auch spontan mit, ob sie gerade Lust auf Junkfood, Alkohol, Kaffee, Sex oder sonstiges verspürten. Die Hälfte der Probanden sollte jedes Mal, wenn sie solche Gelüste verspürten, drei Minuten lang auf ihrem Handy Tetris spielen. Anschließend wurden sie noch einmal nach der Intensität ihrer Begierden befragt.

Begierde gesenkt

Das verblüffende Ergebnis: „Das Tetrisspielen verringerte das Bedürfnis nach Essen, Drogen oder sonstigen Aktivitäten von 70 auf 56 Prozent“, so Andrade. Und dieser Effekt hielt auch an, als das Spiel für die Teilnehmer längst nicht mehr neu war und der Griff zum ablenkenden Handy eher schon Routine. „Die Leute spielten das Spiel im Durchschnitt 40 Mal und der Effekt wurde nicht schwächer“, berichten die Forscher.

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Wie aber ist diese Wirkung zu erklären? Die Forscher vermuten, dass die Ablenkung der entscheidende Faktor dafür ist: Hat man Lust auf etwas, stellt man sich unwillkürlich diese Erfahrung im Kopf vor – man nimmt gedanklich den Genuss sozusagen vorweg. „Wenn man aber ein visuell Aufmerksamkeit forderndes Spiel wie Tetris spielt, besetzt dies die mentalen Prozesse, die normalerweise diese Bilder im Kopf hervorbringen“, erklärt Andrade.

Tetris-Effekt auch als Hilfe beim Entzug?

Es ist demnach vor allem die Ablenkung, die unsere Gelüste dämpft. „Es ist einfach schwer, sich etwas lebhaft vorzustellen und gleichzeitig Tetris zu spielen“, sagt Andrade. Nach Ansicht der Forscher könnten solche ablenkenden Spiele nicht nur Abnehmwilligen gegen die Lust auf kalorienhaltiges Essen helfen. Vielleicht eignen sie sich sogar als Therapiehilfe bei Abhängigen und bei Gelüsten auf härtere Drogen.

„Das ist die erste Demonstration, dass die kognitive Interferenz die Sucht nach Substanzen und Aktivtäten auch jenseits des Essens dämpfen kann“, sagt Andrade. Denn der Tetris-Effekt wirkte auch, wenn die Probanden Lust auf Alkohol, eine Zigarette oder andere Dinge hatten. Weitere Studien zu diesem Effekt seien daher sehr sinnvoll. „Als Hilfsmittel könnte Tetris Menschen helfen, ihre Begierden im Alltag und über längere Zeitperioden besser zu kontrollieren“, so die Forscher. (Addictive Behaviors, 2015; doi: 10.1016/j.addbeh.2015.07.020)

(University of Plymouth, 17.08.2015 – NPO)

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