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Biologie

„Stromausfall“ bei Raupenfraß

Elektrischer Spannungsabfall lähmt angefressene Pflanzenteile

Fressende Raupe © IMSI

Wird eine Pflanze von Raupen oder anderen Fraßschädlingen angefressen, sind nicht nur die betroffenen Zellen zerstört: Durch eine „Umpolung“ der Membranen lähmt die Fraßattacke auch alle umliegenden Zellen und verhindert so Abwehrmaßnahmen seitens der Pflanze. Das haben neueste, jetzt in der Zeitschrift Plant Physiology veröffentliche Untersuchungen gezeigt.

In Limabohnen ändert sich die natürliche elektrische Spannung über den Membranen von Pflanzenzellen innerhalb von Sekunden, wenn das Blattgewebe von Raupen des Ägyptischen Baumwollwurms angefressen wird. Das haben jetzt Wissenschaftler um Professor Massimo Maffei, Universität Turin, Italien, und Professor Wilhelm Boland, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena, gemessen.

Das Membranpotenzial bricht lokal nahezu schlagartig ein – und innerhalb kurzer Zeit verbreitet sich die Depolarisation über das attackierte Blatt. Der "Stromausfall" reduziert drastisch die Reaktionsfähigkeit der Pflanzenzellen, einschließlich ihrer Fähigkeit, auf Raupenfraß mit Abwehrmaßnahmen zu antworten. Die Forscher wollen nun Identität, Herkunft und Wirkungsweise jener Substanz aufklären, die beim Fraßvorgang für die elektrischen Effekte in den Pflanzenzellen verantwortlich ist.

Membranpotenzial entscheidend

Jede Zelle ist von einer Plasmamembran umgeben. Diese legt die Ausmaße der Zelle fest, hält die entscheidenden Unterschiede zwischen Zellinhalt und der Umgebung aufrecht und kontrolliert diese. So steuert die Membran den Eintritt von Nährstoffen und erzeugt unterschiedliche Ionenkonzentrationen zwischen Zellinneren und Zelläußeren, was letztlich zu einer elektrischen Spannung über der Membran führt.

Versuche mit Blättern der Limabohne (Phaseolus lunatus) zeigten nun, dass sich diese Spannung innerhalb von Sekunden ändert (von -130 auf etwa -90 Millivolt), wenn die Blätter durch die Raupe des Ägyptischen Baumwollwurms Spodoptera littoralis befallen werden. Diese durch den Baumwollwurm hervorgerufene Depolarisation verbreitet sich innerhalb kurzer Zeit in dem attackierten Blatt.

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Ob dieser elektrische Effekt eine Rolle bei der Abwehr der Limabohne gegen ihren Schädling spielt, haben die Wissenschaftler anhand von zwei Substanzen untersucht, die Pflanzen in ihren Blättern als Abwehr- und Signalstoffe verwenden, wenn sie durch Schädlinge befallen werden: Wasserstoffperoxid (H2O2) und Calcium-Ionen. Mit Hilfe von Zellkulturen aus der Sojabohne hatten die Forscher gemessen, dass die zellulären Calcium-Ionengehalte mit steigender Konzentration an Wasserstoffperoxid in der Nährlösung zunahmen.

Der Blick durch das konfokale Laser Scanning Mikroskop zeigte dann, dass der Einstrom von Calcium-Ionen in die Zellen eines von Raupen attackierten Blattgewebes – in Gegenwart von H2O2 – im Vergleich zu mechanisch verwundeten Blättern deutlich geringer war. Das wiederum könnte die Reaktionsfähigkeit der pflanzlichen Zellen drastisch reduzieren.

Elektrische Spannungen über biologischen Membranen sind ein wichtiges und messbares Merkmal für jede lebende Zelle, seien sie nun menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs. Somit dienen Plasmamembranen auch als Sensor und Vermittler für äußere Signale, damit jede Zelle und am Ende ganze Gewebe schnell und effizient auf Änderungen in ihrer Umgebung reagieren können – wie auch die hier vorgestellte Untersuchung von Raupenfraß an Pflanzen gezeigt hat. Ob aber die in diesen Experimenten gemessene Depolarisation eher der Raupe zu Gute kommt, wie es scheint, und nicht der Pflanze, muss noch genau geklärt werden.

(MPG, 15.03.2006 – NPO)

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