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Neurobiologie

Stress macht Männer sozialer

Experiment widerlegt gängige Lehrmeinung vom aggressiven gestressten Mann

Teamarbeit auch unter Stress © Claus Rebler

Männer werden unter Stress nicht automatisch aggressiver wie bisher angenommen. Stattdessen reagieren sie – ähnlich wie Frauen – in Stresssituationen sogar häufig sozialer als in entspannter Atmosphäre. Das haben Forscher der Universität Freiburg herausgefunden. In mehreren Experimenten mit freiwilligen Versuchspersonen hatten sie untersucht, wie sich positives Sozialverhalten, zum Beispiel Vertrauen oder Teilen, und sozial negatives Verhalten, etwa Bestrafen, unter Belastung veränderten. Das Ergebnis: Die Männer unter Stress verhielten sich sozialer als ihre nicht gestressten Geschlechtsgenossen, aggressiver reagierten sie hingegen nicht. Dieses Resultat widerlegt eine fast 100 Jahre alte Lehrmeinung, wie die Forscher im Fachmagazin „Psychological Science“ berichten.

Nach gängiger Annahme zeigen Menschen und die meisten Tierarten bei Stress eine typische Kampf-oder-Flucht-Reaktion: Sie reagieren dabei aggressiver oder ängstlicher als normal. Frauen allerdings reagieren auf Stress manchmal auch anders: Bei ihnen kann eine belastende Situation beispielsweise Freundschaften und uneigennütziges Verhalten fördern. Das zeigten Studien schon in den 1990er Jahren. Männern hingegen wurde nach wie vor unterstellt, bei Stress aggressiv zu werden.

Die neuen Ergebnisse wiederlegen dies nun. Sie stützen vielmehr die Idee, dass auch Männer in bedrohlichen Situationen eher enger zusammenrücken und sich innerhalb der Gruppe dann verstärkt gegenseitig unterstützen können. „Offenbar zeigen auch Männer soziales Annäherungsverhalten als unmittelbare Konsequenz von Stress“, erklärt Erstautorin Bernadette von Dawans von der Universität Freiburg. Der akute psychosoziale Stress habe im Experiment das Vertrauen, die Vertrauenswürdigkeit und die Bereitschaft, mit anderen zu teilen, bei den Männern erhöht.

Stress durch Vortrag und Matheaufgaben

In ihrer Studie hatten die Forscher 34 Männer zunächst einer stressenden Situation ausgesetzt: Die Probanden mussten anspruchsvolle Rechenaufgaben unter Zeitdruck lösen und einen Text vor Publikum vortragen. Eine zweite Gruppe von Männern verbrachte diese Zeit mit sehr viel weniger stressendenden Aufgaben. Um das Stressniveau aller Probanden zu bestimmen, maßen die Forscher den Puls und ermittelten den Gehalt von Stresshormonen in deren Speichel.

Direkt anschließend absolvierten alle Männer mehrere Spielsituationen, in denen es auf soziales Verhalten ankam. Ihr Spielpartner war dabei jeweils ein Computerprogramm, dessen Verhalten – sozial oder nicht – für den Probanden nicht vorhersehbar war. In einem Test sollten die Männer entscheiden, ob sie diesem virtuellen Spielpartner trauen – ohne zu wissen, ob dieser fair handeln würde oder nicht. Misstrauten sie dem virtuellen Partner grundsätzlich, erhielten sie nur eine kleine Summe Spielgeld. Gaben die Männer an, dem Computerpartner zu trauen, und dieses Vertrauen erwies sich als berechtigt, erhielten sie eine größere Summe. Lagen sie mit ihrer Einschätzung falsch, gingen sie leer aus.

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In einem weiteren Test sollte der Proband entscheiden, wie er eine Belohnungssumme zwischen sich und einem Partner aufteilen würde – fair oder unfair. In einem dritten Test konnte die Versuchsperson ihren virtuellen Spielpartner bestrafen, wenn dieser eine unfaire Teilung anbot. Dieser erhielt dann kein Geld, der Proband jedoch auch nicht. Letztlich ermittelten die Forscher damit die Bereitschaft der Männer gegen einen anderen vorzugehen, selbst wenn ihnen dies schadet.

Im Ergebnis zeigten Probanden, die unter Stress standen, ein deutlich positiveres Sozialverhalten in diesen Tests als Probanden der Kontrollgruppe, die sich nicht in einer Stresssituation befanden. Im Bestrafungstest aber gab es keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen: Dieses zwar nachvollziehbare, aber von den Forschern als eher negativ eingestufte Sozialverhalten wurde durch den Stress nicht beeinflusst, wie die Wissenschaftler berichten.

(Psychological Science, 22.05.2012 – NPO)

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