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Paläontologie

Streit um Dinosaurier-Eier

Hatten die ersten Dino-Eier eine harte oder eine weiche Schale?

Dino-Eier
Fossile Embryos und Eireste in einem Nest des Protoceratops. Hatten die Eier eine harte oder eine weiche Schale? © M. Ellison/©AMNH

Hart oder weich? Bei Dinosaurier-Eiern herrscht in dieser Frage Uneinigkeit: Einige Paläontologen halten Eier mit weicher, ledriger Schale für die ursprüngliche Form – ähnlich wie noch heute bei den Eiern von Schildkröten. Andere hingegen halten die weit häufiger gefundenen hartschaligen Dino-Eier für ein allen Dinosauriern gemeinsames Merkmal. Analysen fossiler Eierschalen von zwei sehr unterschiedlichen Dinosauriern vom Beginn und Ende der Dino-Ära heizen die Debatte nun erneut an.

Wie sahen die ersten Dinosaurier-Eier aus? Hatten sie eine weiche, ledrige Schale wie die Eier von Schlangen und Schildkröten? Oder eine harte Kalkschale wie die von Vögeln? Lange hielten Paläontologen Letzteres für wahrscheinlicher, weil die wenigen erhaltenen Fossilien von Dinosaurier-Eiern harte Schalen aufwiesen. Im Jahr 2020 jedoch untersuchten Forschende um Mark Norell vom American Museum of Natural History in New York die fossilen Gelege von zwei evolutionär sehr unterschiedlichen Vertretern der Dinosaurier – und kamen zum entgegengesetzten Schluss: Ihrer Ansicht nach müssen die ursprünglichen Dino-Eier weichschalig gewesen sein.

Mussaurus
Der Mussaurus war ein früher Vorfahre der langhalsigen Sauropoden. © Sauropodomorph /CC-by-sa 4.0

Weiche Schale?

Basis der neuen Theorie sind Eier des Vogelbeckensauriers Protoceratops aus der späten Kreidezeit, einem vierbeinig laufenden Pflanzenfresser mit mächtigem Kopfpanzer und Nackenschild. Das zweite Gelege stammt von einem Echsenbeckensaurier, dem Sauropoden-Vorläufer Mussaurus. Dieser lebte vor gut 200 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Argentinien. Als Norell und seine Kollegen 2020 die Gelege von Protoceratops und Mussaurus genauer untersuchten, stellten sie fest: Die uralten Eihüllen enthielten versteinerte Proteine und Phosphate, aber keine Überreste einer Kalkschale.

Damit waren die Eier beider Dinosaurierarten nach Ansicht der Forscher nicht hartschalig, sondern müssen weichschalig gewesen sein. Um herauszufinden, welcher Eiertyp der ursprüngliche war, analysierten die Wissenschaftler zusätzlich die Eierschalen von 112 Dinosaurierarten und nah verwandten Reptilien.

In Kombination mit der Position der jeweiligen Dinosaurier im Stammbaum kamen sie zu dem Schluss, dass die ersten Dinosaurier weichschalige Eier gelegt haben müssen und erst mit der Zeit auch feste, kalkhaltige Eischalen auftauchten. Laut Norell erfand die Natur die Kalkschale dreimal unabhängig voneinander, bei jeder der drei großen Dinosauriergruppen einzeln. Dazu passt auch, dass die Kalkschalen von Raubsauriern anders aufgebaut sind als die der beiden pflanzenfressenden Gruppen.

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Streit um den Mussaurus

Doch ein Team um den Forscher Seung Choi von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zweifelt nun an diesen Erkenntnissen. In ihrem Fachartikel kritisieren sie, wie Norell bei der Erforschung der Mussaurus-Eierschalen vorgegangen ist. „Wir haben drei Bedenken hinsichtlich der von Norell verwendeten Methoden“, schreiben Choi und seine Kollegen.

Der erste Vorwurf besteht darin, dass Norells Team das Material der Eischale falsch interpretiert haben soll. Als er und seine Kollegen auf kalkhaltige Überreste stießen, ordneten sie diese dem umgebenden Sediment und nicht der Eierschale zu. Choi geht allerdings davon aus, dass der Kalk zum Ei selbst gehört und damit auf eine starre Schale hindeutet. Der zweite Kritikpunkt ist eine mögliche Fehldeutung von Daten zu langkettigen Molekülen in der Eierschale. Während Norell sie als Biomoleküle aus organischem Kohlenstoff betrachtet, sieht Choi darin Spuren von anorganischem Kohlenstoff, zum Beispiel Graphit.

Zweifel an Norells Methodik

Zu guter Letzt fechtet sein Team Norells Interpretation der Doppelbrechung, einer speziellen Form der Lichtbrechung, an. Da die Eierschalen des Mussaurus das Licht nicht der Doppelbrechung gemäß teilten, leitete Norells Team daraus ab, dass die Schalen keinen Kalk enthalten. Choi und seine Kollegen vermuten hingegen, dass die fehlende Doppelbrechung auf andere Faktoren zurückzuführen sein könnte, etwa auf die Dicke der herausgeschliffenen Schalenprobe.

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie von Norell et al. methodische Unsicherheiten, insbesondere bei der Interpretation der Mussaurus-Eierschale, aufweist, und diese die Schlussfolgerungen der Studie beeinflussen könnten“, heißt es im Artikel von Chois Team.

Haltlose Vorwürfe?

Doch diese Vorwürfe lässt Norells Forscherteam nicht auf sich sitzen. „Nature“ hat ihre Gegendarstellung in derselben Ausgabe wie Chois Zweifel veröffentlicht. Die Wissenschaftler weisen darin die genannten Kritikpunkte zurück und liefern außerdem ergänzende Daten, um ihre ursprünglichen Aussagen weiter zu belegen. So hätten sie – entgegen dem ersten Vorwurf – bereits in der Originalstudie eindeutig und mit geeigneten Messmethoden belegt, dass der nachgewiesene Kalk aus der Schale selbst und nicht aus der anorganischen Umgebung stammt.

Auch die untersuchten, langkettigen Moleküle hätten sie korrekterweise als versteinerte Biomoleküle gedeutet. Die Gebilde, mit denen sie diese laut Chois Team hätten verwechseln können, würden sich grundlegend von den beschriebenen organischen Überresten unterscheiden. Sie mit Graphit verwechselt zu haben, wie Chois Team vorschlägt, sei sogar prinzipiell unmöglich, da Graphit überhaupt nicht in Gesteinsschichten mit Fossilien vorkomme.

Weiche Schale!

Auch das Argument der fehlinterpretierten Doppelbrechung schmettern sie ab. Auf bildgebenden chemischen Analysen sei eindeutig erkennbar, dass die Eierschalen deutlich weniger Kalk als das umgebende Gestein enthalten. Diese Begebenheit habe sich bei Experimenten zur Doppelbrechung lediglich weiter bestätigt.

Norell und seine Kollegen fassen zusammen: „Die morphologischen, histologischen, geochemischen und biomechanischen Beweise bestätigen, dass die Eierschale von Mussaurus weich war.“ Ob sie damit Choi und seine Mitautoren überzeugen konnten, ist noch unbekannt. (Nature, 2022, doi: 10.1038/s41586-022-05151-9; doi: 10.1038/s41586-022-05152-8

Quelle: Nature

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