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Biologie

Störche: Müllkippe statt Afrika

Viele Weißstörche ziehen nicht mehr bis in ihre Winterquartiere im Süden

Bereit zum Abflug? Viele Störche ziehen nicht mehr so weit in den Süden. © Julio Blas

Zugvögel im Energiesparmodus: Weißstörche scheuen immer häufiger die anstrengende Reise in den Süden. Ihr Winterquartier beziehen viele Tiere stattdessen auf Abfalldeponien, wo sie genügend Futter finden. Durch das veränderte Zugverhalten drohen aber Langzeitfolgen, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. Ohne die Störche könnten etwa Ökosysteme in Afrika aus dem Gleichgewicht geraten.

Jedes Jahr machen sich im Winter Störche von ihren Brutplätzen in Europa auf in wärmere Gefilde. Dabei legen sie je nach Route teilweise mehrere tausend Kilometer zurück. Die sogenannten Westzieher, die unter anderem im Südwesten Deutschlands oder der Niederlande brüten, fliegen traditionell über Marokko weiter nach Süden und überqueren dabei das mehr als 1.000 Kilometer breite Wüstengebiet der Sahara. Vögel aus Ländern wie Dänemark oder Polen nehmen dagegen die Ostroute. Diese führt die Tiere über den Bosporus, Israel und den Golf von Suez nach Ost- und Südafrika.

Doch immer öfter weichen die Störche von den anstrengenden Fernreisen ab – und kommen gar nicht mehr in Afrika an. Wo die Vögel stattdessen ihr Winterquartier beziehen, haben Wissenschaftler um Andrea Flack vom Max-Planck-Institut für Ornithologie nun untersucht.

Winterrouten auf der Spur

Das Forscherteam hat das Zugverhalten von 70 jungen Weißstörchen aus acht Ländern beobachtet. Mithilfe von GPS-Sendern verfolgten die Wissenschaftler die Bewegungen der Vögel und begleiteten sie während der ersten fünf Monate ihres Trips in den Süden. Sie wollten wissen: Welche Faktoren könnten beeinflussen, für welche Route sich die Tiere entscheiden?

Die Flugdaten zeigten, wie unterschiedlich die Winterreisen der Störche mitunter aussehen. An welchem Ort die Vögel überwintern und welche Route sie wählen, wirkt sich dabei entscheidend auf ihren Energieverbrauch aus.

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Energie sparen auf Müllhalden

Migrationsrouten und zurückgelegte Distanzen der Störche © Flack et al. / Science Advances

Statt zügig zu den traditionellen Überwinterungsplätzen zu ziehen, halten viele Störche zwischendurch auf Müllhalden, zum Beispiel in Spanien oder Marokko, an. Oder sie verbringen gleich den gesamten Winter auf den Abfallbergen, wie die Forscher herausfanden.

So machen es zum Beispiel immer häufiger Störche aus Süddeutschland, die normalerweise über die Westroute ziehen. Fleck und ihre Kollegen stellten fest, dass die Vögel durch dieses Verhalten weitaus bessere Überlebenschancen hatten als ihre Artgenossen aus Russland, Polen oder Spanien, die die reguläre Ost- bzw. Westroute geflogen waren.

Auch wer die Reise in den Süden nicht vollständig aufgibt, kann durch Zwischenstopps auf Abfalldeponien wertvolle Energie sparen. Weniger Aufwand für die Nahrungssuche bringt den Störchen deutliche Vorteile: Laut den Forschern überlebten diese Vögel im Vergleich häufiger und pflanzten sich zahlreicher fort.

Ökosysteme aus dem Gleichgewicht

Doch obwohl ein Überwintern auf Abfallbergen auf den ersten Blick für die Vögel attraktiv zu sein scheint, sehen die Forscher diese Entwicklung kritisch. Zum einen birgt die Futtersuche im Müll auch Risiken für die Tiere. Es drohten Verletzungen und Krankheiten, sagen die Forscher. Die Gefahr sei groß, etwas Falsches zu fressen.

Zum anderen könnte sich das geänderte Zugverhalten der Störche auch auf die Ökosysteme in Afrika auswirken. Denn die Tiere erfüllen dort wichtige Funktionen, zum Beispiel als natürliche Schädlingsbekämpfer. Zudem sind die Störche nicht die einzigen Vögel, die ihre Wanderrouten verkürzt haben oder gar sesshaft geworden sind. Der Einfluss der Menschen beeinflusse immer öfter das Verhalten von Tieren und bedrohe stabile Ökosysteme, schreiben die Forscher.

Es sei deshalb von großer Bedeutung, mehr über diese Zusammenhänge herauszufinden. „Wenn wir wissen, wie der Mensch die Migrationsrouten von Tieren verändert, können wir diese Arten und ihre Lebensräume vielleicht besser schützen“, sagen Flack und ihre Kollegen. (Science Advances, 2016, , doi: 10.1126/sciadv.1500931)

(Science Advances, 26.01.2016 – DAL)

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