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Neurobiologie

Sting ins Gehirn geschaut

Wie das Denkorgan des Rockstars Musik verarbeitet

Was passiert in Stings Gehirn, wenn er Musik hört? © Yancho Sabev/ CC-by-sa 3.0

Einblicke in das Hirn eines Musikers: Forscher haben in den Kopf von Rockmusiker Sting geblickt. Ihre einmaligen Scans offenbaren, wie das Gehirn des Stars Musik verarbeitet. Es zeigt sich: Offenbar nimmt der Profi-Musiker Lieder ganz anders wahr als „normale“ Zuhörer. Stücke, die für andere völlig unterschiedlich klingen, erkennt sein Gehirn als ähnlich. Denn es ordnet Songs hinsichtlich spezifischer musikalischer Merkmale ein – und reagiert zum Beispiel auf Tonart, Tempo oder melodische Motive.

Egal ob Maler, Tänzer oder Musiker: Kreative Menschen faszinieren Wissenschaftler seit jeher. Immer wieder stellen sie sich die Frage, was im Kopf von Künstlern vor sich geht: Was passiert, wenn sie ihrer Profession nachgehen? Und arbeitet ihr Gehirn womöglich anders als das von Otto Normalverbraucher? Tatsächlich deuten Studien daraufhin, dass künstlerische Talente in gewissen Dingen anders ticken. So konnten Forscher zum Beispiel zeigen: Wenn Profi-Violinisten und Amateurgeiger das gleiche Konzert spielen, unterscheidet sich ihre Hirnaktivität deutlich.

Stings Gehirn beim Musikhören beobachtet

Neurobiologen um Daniel Levitin von der McGill University in Montreal haben nun in das Gehirn eines berühmten Singer-Songwriters geblickt. Kein geringerer als Sting, ehemaliger „The Police“-Frontman und erfolgreicher Solo-Star, hat den Forschern einen Einblick in sein Innerstes gewährt. Die Wissenschaftler wollten wissen: Was passiert, wenn der Musiker bestimmten Liedern lauscht?

Das beobachteten sie mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) und werteten die Scans anschließend aus. „Auf diese Weise konnten wir eine Karte zeichnen, die zeigt, wie Stings Gehirn Musik organisiert“, sagt Levitin. Das Team interessierte unter anderem, welche Songs Sting als ähnlich wahrnimmt und welche Stücke für ihn nichts miteinander zu tun haben. Würden sich seine Hirnmuster beim Hören ähnlicher Musikrichtungen mehr gleichen als bei unterschiedlichen Stilen?

Studienleiter Levitin zeigt dem Musiker eine Aufnahme seines Kleinhirns. © Owen Egan

Gehirn reagiert auf verborgene Verbindungen

Die Ergebnisse verblüfften die Forscher: Denn Lieder, die für den normalen Zuhörer nicht viel gemein zu haben scheinen, nimmt Stings Gehirn offenbar als hochgradig ähnlich war. „Seine Hirnscans haben uns etliche Verbindungen zwischen Musikstücken offenbart, die ich zwar sehr gut kenne, jedoch nie als miteinander verwandt betrachtet hätte“, sagt Levitin.

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So verhielt sich Stings Gehirn etwa beim Beatles-Hit „Girl“ fast genauso wie bei Astor Piazzollas „Libertango“, einer Tangokomposition. Der Musiker scheint demnach nicht auf den Gesamteindruck eines Stückes zu reagieren – aber worauf dann? Ein genauer Blick offenbarte: Stings Gehirn ordnet die Lieder hinsichtlich ganz bestimmter musikalischer Merkmale ein: Sowohl „Girl“ als auch „Libertango“ sind in Moll-Tonarten verfasst und verfügen über ähnliche melodische Motive, wie das Team berichtet.

Auch Stings eigenes Stück „Moon over Bourbon Street“ und Booker T. and the MG’s „Green Onions“ klingen beim oberflächlichen Hören nicht gerade ähnlich. Beides sind aber F-Moll-Kompositionen, haben das gleiche Tempo und einen Swing-Rhythmus – und genau aus diesem Grund scheint Sting diese Songs im Gehirn ähnlich zu verarbeiten. Und noch etwas ist interessant: Ob der Profi-Musiker das Lied wirklich hört oder sich nur vorstellt, macht für ihn offenbar keinen Unterschied. Denn sein Gehirn reagiert in beiden Fällen gleich.

Wie denken Maler oder Athleten?

Mit ihrer Arbeit gewähren die Wissenschaftler einen einmaligen Einblick in das Gehirn eines begnadeten Musikers. Doch mit der gleichen Methode könnten sie auch dem Denken anderer Spezialisten auf die Schliche kommen, wie sie betonen: „Man könnte zum Beispiel untersuchen, wie Athleten ihre Gedanken über Bewegungen organisieren oder wie Maler über Farbe, Form und Raum denken“, schließt das Team. (Neurocase, 2016; doi: 10.1080/13554794.2016.1216572)

(McGill University, 17.08.2016 – DAL)

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