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Biologie

Stillgelegte „Botengänger“ leben wieder auf

Unterdrückung der Translation durch microRNA kann bei Stress wieder aufgehoben werden

Das Wachstum von Zellen wird durch ein ausgeklügeltes System gesteuert: So ist beispielsweise die so genannte Boten-RNA dafür zuständig, die Bauanleitung für einzelne Proteine von der DNA im Zellkern ins Zytoplasma zu transportieren. Auf ihrem Weg kann der „Botengänger“ jedoch durch sehr kleine RNA-Moleküle, so genannte microRNAs, gebunden werden. Bislang ging man davon aus, dass dies die Boten-RNA komplett ausschaltet und die Proteinsynthese dadurch verhindert wird. Nun haben Forscher aus Mainz und Basel jedoch in der Fachzeitschrift „Cell“ berichtet, dass dieser Prozess wider Erwarten umkehrbar ist und die Boten-RNA beispielsweise unter Stress wieder freigesetzt werden kann.

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Vor einigen Jahren hatten Zellbiologen entdeckt, dass jede Zelle microRNAs enthält, die vermutlich zur Feinregulierung von Wachstumsprozessen dienen. "Die microRNA entscheidet, ob Boten-RNA tatsächlich in Proteine umgebaut wird", erklärt Professor Ellen Closs vom Institut für Pharmakologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Genetischer Code wird ausgelesen

Die kleinen micro-RNA-Moleküle mit einer Länge von etwa 22 Basenpaaren agieren üblicherweise in "negativer" Form: sie docken an einer bestimmten Stelle der Boten-RNA an und verhindern dadurch den Translationsprozess, durch den die Boten-RNA an den Ribosomen abgelesen wird. Anschließend werden entsprechend dem genetischen Code die Proteine synthetisiert. Eine microRNA kann die Translation von zahlreichen – manchmal über 100 – Boten-RNAs unterdrücken und eine einzige Boten-RNA kann von mehreren micro-RNAs reguliert werden. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass ungefähr ein Drittel der menschlichen Gene der Steuerung durch microRNAs unterliegt – ein erstaunlich hoher Anteil.

Was aber passiert mit der Boten-RNA, wenn sie "ausgeschaltet" wird? Nach bisherigen Erkenntnissen erfolgt ihre Stilllegung in einem bestimmten Bereich des Zytoplasmas, der als P-Body bezeichnet wird. In den P-Bodies – sie wurden vor drei Jahren entdeckt – wird aber nicht nur Boten-RNA abgebaut, um die Einzelteile später für den Aufbau von neuer Boten-RNA verfügbar zu haben. Vielmehr wird hier auch Boten-RNA für die spätere Proteinsynthese zwischengelagert.

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Doch keine Endstation

Doch wie die Forschergruppen um Closs und Witold Filipowicz vom Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research nun herausgefunden haben, sind die P-Bodies nicht Endstation für Boten-RNA, sondern im Gegenteil kann Boten-RNA aus einem P-Body wieder zur "aktiven Translationsgruppe" zurückkehren, wenn ein entsprechender Stimulus ergeht. Die Untersuchungen dazu erfolgten anhand einer Boten-RNA, die für den Aminosäuretransporter CAT-1 kodiert, also die Struktur für den Aufbau dieses Transporters übermittelt. Diese Boten-RNA (CAT-1 mRNA) wird durch die microRNA miR-122 gesteuert. Die Autoren der Studie fanden heraus, dass die unterdrückte CAT-1 mRNA in P-Bodies gespeichert wird, unter Aminosäuremangel oder oxidativem Stress jedoch wieder entweichen kann.

"Das ist eine völlig neue Erkenntnis: microRNA kann die Boten- RNA auch wieder loslassen", so die Mainzer Forscherin Ellen Closs. "Es gibt also einen Mechanismus, der in der Zelle vorliegt und unter bestimmten Situationen wieder reaktiviert werden kann. Das macht die gesamte Regulation durch microRNAs noch interessanter." Sie schließt dabei nicht aus, dass der entdeckte Prozess nicht nur für die CAT-1 -Boten-RNA gilt und damit für die Steuerung des Transports der Aminosäure Arginin in die Leber- oder andere Körperzellen verantwortlich ist. "Vermutlich gilt der von uns entdeckte Ablauf auch für andere Boten-RNAs", so Closs. Die Hypothese soll später in weiteren Studien mit anderen Botenstoffen untersucht werden.

(idw – Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 26.07.2006 – AHE)

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