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Biologie

Spermien: Taktik und Technik entscheiden

Samenzellen nutzen ganz unterschiedliche Schwimmtechniken auf dem Weg zum Ziel

Raffinierte Schwimmtechnik: Beim Wettschwimmen der Spermien zur Eizellen entscheidet nicht nur bloßes Tempo. Stattdessen machen die Zellen das Rennen, die die beste Taktik an den Tag legen. Denn Spermien nutzen gleich mehrere verschiedene Schwimmtechniken, um ans Ziel zu gelangen, wie Forscher jetzt herausgefunden haben. Die eifrigen Schwimmer gehen dabei sogar kurzzeitige Allianzen miteinander ein, wie die Forscher im Fachmagazin „BMC Biology“ berichten.

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Von mehreren Millionen Spermien, die im weiblichen Körper ihre Reise beginnen, erreichen weniger als hundert die Nähe der Eizelle und kommen damit für eine Befruchtung in Frage. Was aber entscheidet, wer dabei das Rennen macht und wer zu dieser erfolgreichen Gruppe gehört? Nach den entscheidenden Faktoren dafür suchen Forscher seit Jahrzehnten. Dabei ging man bisher davon aus, dass alle Spermien eine fast identische Schwimmtechnik haben. Wer zuerst ankommt ist einfach nur ein bisschen schneller als seine Konkurrenten.

Spermien-Wettschwimmen unterm Mikroskop

Gunther Wennemuth von der Universität Duisburg-Essen und seine Kollegen haben diese Annahmen nun im Experiment mit Mäusespermien überprüft. Für ihre Studie isolierten sie lebende Spermien aus Mäusehoden und ließen sie in speziellen Kulturschalen schwimmen. Mit Hilfe eines hochauflösende Phasenkontrast-Mikroskops und einer Hochgeschwindigkeits-Kamera verfolgten die Forscher die Schwimmbewegung der Spermien erstmals bis in den kleinsten Geißelausschlag hinein.

„Die Mäusespermien besaßen ein unerwartet breites Repertoire an Schwimmbewegungen“, berichten die Forscher. „Sie können schnell zwischen verschiedenen Schwimmtechniken wechseln und so abrupt ihren Kurs ändern.“ Das ermöglicht es den Spermien, Hindernisse zu umgehen. Neben einem rotierenden Schlag der Geißel drehen sich die Samenzellen dabei auch komplett um ihre Längsachse.

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Allianzen bringen Tempo

Zudem können sich die Spermien kurzzeitig zu einem Verband aus zwei bis vier Zellen zusammenlagern. Dieser schwimmt dann von gleich mehreren Geißeln angetrieben dem Ziel entgegen – und ist so schneller als ein einzelnes Spermium, wie die Beobachtungen der Forscher ergaben. Durch eine Rotation des Spermienkopfes kann sich jede einzelne Zelle schnell wieder aus diesem Verband lösen. Art und Geschwindigkeit der Rotation bestimmen dabei, in welche Richtung das jeweilige Spermium schwimmt.

Noch ist nicht klar, welche Faktoren bestimmen, wann ein Spermium rotiert oder sich mit anderen zusammenschließt. Das müsse noch untersucht werden, so Wennemuth. Dennoch zeigen diese Beobachtungen, dass die bisherigen Annahmen zu einem vermeintlichen Standard-Schwimmstil der Spermien falsch sind. Stattdessen spreche viel dafür, dass die Episoden des Rotierens und des Zusammenschließens mit darüber entscheiden, welche Samenzellen zuerst am Ei ankommen.

„Je genauer wir Mechanismen, wie die erfolgreiche Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium verstanden haben, desto besser können Störungen der Fruchtbarkeit erklärt und eventuell behandelt werden“, so Wennemuth. Auch das Verfahren der künstlichen Befruchtung könne durch ein besseres Verständnis der Signalübertragung von Keimzellen verbessert werden. (BMC Biology, 2014, doi: 10.1186/s12915-014-0067-3)

(Universitätsklinikum Essen, 09.09.2014 – NPO/MVI)

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