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Biotechnologie

Spermien aus der Kapsel für Kühe

Neuartige Form der künstlichen Befruchtung entwickelt

Kühe © ARS/USDA

Landwirte dürfen sich freuen: Ihre Kühe könnten künftig mehr Nachwuchs bekommen. Denn Züricher Forscher haben eine neuartige Form der künstlichen Befruchtung entwickelt. Diese reagiert sehr sensibel auf den Zyklus der Kuh und garantiert einen besseren Zuchterfolg. Und der Clou: Die neue Cellulose-Kapsel könnte nach einigen Anpassungen auch in der menschlichen Reproduktionsmedizin eingesetzt werden.

Bei Kühen ist die künstliche Besamung selbstverständlich geworden, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Gezielt können so verschiedene Tiere mit gesundem Sperma befruchtet und die Zucht veredelt werden. Die Kühe müssen dazu nicht einmal transportiert werden und sind geschützt vor Deckungsinfektionen und Verletzungen.

Bisher nur geringe Trefferquote

Doch nicht alle künstlichen Befruchtungen sind erfolgreich, da man zwar den Kühen aufgrund ihres Verhaltens ansehen kann, wann sie in die Brunst kommen, aber weder Tierhalter noch Tierarzt den exakten Zeitpunkt des Eisprungs bestimmen können. Die Trefferquote ist denn auch nicht besonders hoch: Von 100 einmal künstlich besamten Kühen bringen nur 60 ein Kalb zur Welt. Bei den restlichen stirbt entweder der Embryo ab oder die Eizelle wird nicht befruchtet.

Abhilfe schaffen nun Wissenschaftler um Professor Martin Fussenegger vom Departement für Biosysteme (D-BSSE) der ETH Zürich. Die Bioingenieure haben eine Cellulose-Kapsel entwickelt, die Stierspermien und lebende Zellen enthält. Diese sind mit einem zusätzlichen genetischen Netzwerk ausgestattet, das auf ein bestimmtes Körpersignal reagiert. Einige Hundert dieser winzigen Kapseln werden der Kuh wenige Tage vor dem Eisprung in den Uterus eingepflanzt, wo sie überdauern, bis das Tier empfängnisbereit ist.

Einfach und präzis befruchtet

Bekommt die Kuh einen Eisprung, steigt der Spiegel des Luteinisierenden Hormons (LH) im Blut innerhalb weniger Stunden rasch an und sinkt danach genauso schnell wieder ab. Auf diesen abrupten Hormonanstieg reagiert nun die neue Kapsel der ETH-Forscher. In den Kapseln befinden sich Zellen, auf denen LH-empfindliche Sensoren sitzen. Dockt das LH an diese an, löst dies eine Kaskade von Reaktionen aus und am Ende bildet sich das Enzym Cellulase, das die Cellulose-Kapsel von innen her auflöst. Die Samenzellen kommen frei und können zur befruchtungsfähigen Eizelle schwimmen.

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Diese Befruchtungsmethode ist den Wissenschaftlern zufolge einfach und präzise. Da die Kapseln sehr klein sind, spürt die Kuh nichts davon. Der Tierarzt, der die künstliche Besamung durchführt, kann die Kapseln mit der gleichen Plastikkanüle einführen, mit der er bisher Stierspermien eingebracht hat.

Zeitfenster wird größer

Beim neuen Verfahren reicht es nach Angaben der Forscher aus, wenn die Halter den Zyklus ihrer Tiere – bei der Kuh sind es 21 Tage – ungefähr kennen. Denn die Cellulosekapseln halten die Spermien mindestens drei Tage lang frisch. Der Veterinär kann die Kapseln deshalb schon wenige Tage vor dem Eisprung in den Uterus des Tiers einführen. Dadurch verlängert sich das Zeitfenster, in dem eine erfolgreiche künstliche Besamung möglich ist, erheblich.

Kapsel nicht nur für die Kuh

Die neue Befruchtungskapsel ist praxistauglich und von den ETH-Forschern bereits zum Patent angemeldet. Zwar ist sie zurzeit auf den Hormonhaushalt und den Organismus einer Kuh zugeschnitten. Die Wissenschaftler müssten jedoch nur einzelne Komponenten des genetischen Netzwerks sowie die Art der Zellen verändern, um diese Befruchtungshilfe auch für andere Säugetiere auszulegen. Auch beim Menschen würde die Methode mit einigen Anpassungen funktionieren.

Fussenegger kann sich deshalb vorstellen, dass die Befruchtungskapsel auch in der menschlichen Reproduktionsmedizin eingesetzt wird: „Das könnte Menschen entlasten, die unter starkem psychischen Druck stehen, wenn es mit dem Kinderkriegen auf natürlichem Weg nicht klappt.“

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 03.05.2011 – DLO)

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