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Genetik

Spargel im Urin: Wer kann ihn riechen?

Bestimmte Genvariationen machen geruchsblind für Abbauprodukte der leckeren Stangen

Spargel ist unter Feinschmeckern sehr beliebt - auf den Genuss folgt jedoch oft eine übelriechende Überraschung beim Toilettengang. © KabVisio/ iStock.com

Wer gerne Spargel isst, kennt das Problem vielleicht: Nach dem Genuss der Stangen verströmt der Urin oft einen unangenehmen Duft – doch längst nicht jeder kann ihn riechen. Warum das so ist, haben Forscher nun herausgefunden: Bestimmte Variationen im Genom machen demnach geruchsblind für den unschönen Geruch, den die Abbauprodukte des Gemüses verursachen.

Spargel ist eine der ältesten Gemüsesorten der Welt. In China und Ägypten waren die feinen Stangen bereits vor etwa 5.000 Jahren als Delikatesse bekannt. Im Mittelalter galt das Gemüse dagegen als Arznei und wurde zum Beispiel gegen Husten und Geschwüre gegessen. Tatsächlich liefert Spargel viele Vitamine, wertvolle Mineralstoffe, Spurenelemente und Ballaststoffe. Heute ist er aber nicht nur bei gesundheitsbewussten Menschen beliebt: Viele Deutsche überzeugt er vor allem geschmacklich.

Jedes Jahr zur Spargelsaison kommen die weißen oder grünen Stangen hierzulande zahlreich auf die Teller – dafür zahlen die Verbraucher auch gerne mehr als für anderes Gemüse. Doch mit dem feinen Genuss hält auch ein eher unangenehmer Nebeneffekt Einzug: Wer nach dem Spargelverzehr auf die Toilette geht, muss oft die Nase rümpfen. Denn der Urin verströmt dann einen charakteristischen Geruch nach Methanethiol und anderen Abbauprodukten.

Wer riecht’s?

Schon Benjamin Franklin, Marcel Proust und der Chemiker Louis Lémery ließen sich ihrer Zeit über den abstoßenden Duft aus, der ihnen nach einem leckeren Mahl den Toilettengang verleidete. Damit gehörten die bekannten Persönlichkeiten zu jener Bevölkerungsgruppe, die die unangenehme Spargelspur in ihrem Urin wahrnehmen. Denn was viele vielleicht nicht wissen: Nicht alle Menschen können diesen Duft riechen. Forscher um Sarah Markt von der Harvard TH Chan School of Public Health in Boston haben nun untersucht, warum das so ist.

Die Wissenschaftler vermuteten eine genetische Ursache für dieses Phänomen und befragten dazu 6.909 Teilnehmer aus zwei großen Studien, der Nurses‘ Health Study und der Health Professionals Follow-up Study. Das Ergebnis: Drei von fünf Probanden gaben an, den Spargel in ihrem Urin nicht wahrnehmen zu können. Das sind 60 Prozent.

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Geruchsrezeptoren im Fokus

Markt und ihre Kollegen versuchten anschließend, diese Geruchsblindheit mit bestimmten Variationen im Genom der Probanden in Verbindung zu bringen. Tatsächlich entdeckten sie dabei 871 genetische Merkmale in der DNA, die in einem signifikanten Zusammenhang mit der Fähigkeit stehen, die Abbauprodukte des Spargels im Urin riechen zu können. Interessant dabei: All diese Variationen befinden sich in Genen auf Chromosom 1 – vor allem in solchen, die für eine bestimmte Familie von Geruchsrezeptoren codieren.

„Mit unseren Ergebnissen präsentieren wir Gene, die für künftige Forschung interessant sein könnten“, schreiben die Forscher. „Insbesondere könnten die von uns identifizierten Kandidaten Aufschluss über die Funktionsweise von Geruchsrezeptoren geben – und die Frage klären, welche Bestandteile für den unverwechselbaren Duft verantwortlich sind, den die Metabolite des Spargels verursachen.“

Lustiges Experiment für die Weihnachtszeit

Ob man Spargel im Urin riechen kann oder nicht, hängt also wahrscheinlich von der Beschaffenheit bestimmter Geruchsrezeptoren ab. Doch eines bleibt rätselhaft: Warum kommt es überhaupt zu genetischen Variationen, die Menschen anfällig für die Spargel-Geruchsblindheit machen? Mit anderen Worten: „Welche Art von Selektionsdruck führt dazu, dass unterschiedliche Gruppen der Bevölkerung die Abbauprodukte riechen können, oder eben nicht?“, schreibt das Team.

Diese und weitere Fragen wollen die Wissenschaftler in Zukunft weiter erforschen. Derweil empfehlen sie allen Menschen mit Forscherdrang während der kommenden Weihnachtsfeiertage ein eigenes Experiment zu starten: „Probieren Sie ein Spargelrezept aus und diskutieren Sie mit ihren Lieben über den unangenehmen Geruch im Urin.“

Auch wenn das leckere Gemüse hierzulande gerade keine Saison hat: Wer im Tiefkühlfach noch Spargelreste findet oder ein Glas eingemachter Stangen im Vorratsschrank entdeckt, kann mit dieser Idee sicherlich dem ein oder anderen langweilige Gespräch mit den Verwandten eine interessante Wendung verleihen. (The BMJ Christmas edition, 2016; doi: 10.1136/bmj.i6071)

(BMJ, 15.12.2016 – DAL)

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