Bereits Kleinkinder übertreffen Affen in entscheidenden sozialen Fähigkeiten – die auch den kulturellen Vorsprung des Menschen gegenüber den Tieren erklären könnten: Menschenkinder schauen sich schnell Dinge von anderen ab, geben ihr Wissen durch Zeigen und Reden weiter und motivieren andere zum Mitmachen, indem sie Belohnungen uneigennützig teilen. Schimpansen und Kapuizineraffen tun dies dagegen nicht. Das hat ein internationales Forscherteam in einem Experiment herausgefunden.
In dem Versuch mussten Kinder und beide Affenarten drei aufeinander aufbauende Aufgaben lösen. Während die drei- bis vierjährigen Kinder sich gemeinsam Schritt für Schritt vorarbeiteten, zeigten die Affen keine Anzeichen für ein solches, auf den Erfahrungen anderer aufbauendes Lernen. Diese Unterschiede seien wahrscheinlich der Grund, warum sich der Mensch kulturell stärker weiterentwickelt habe als jedes andere Lebewesen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.
Entwicklung der menschlichen Kultur ist einzigartig
„Die kulturellen Traditionen des Menschen haben sich im Laufe der Zeit immer weiter verbessert und dadurch sowohl Technologien als auch andere Errungenschaften von erstaunlicher Komplexität hervorgebracht“, schreiben Lewis Dean von der University of St. Andrews in England und seine Kollegen. Diese sogenannte kumulative Kultur sei einzigartig in der Natur. Zwar können auch einige Tiere Verhaltensweisen von ihren Artgenossen lernen, aber nur der Mensch hat im Laufe seiner Evolution stetig auf dem Wissen vorhergehender Generationen aufgebaut.
Warum die Tiere diese Art von kulturellem Fortschritt nicht erreichen, war bisher unklar. Um das herauszufinden, führten die Forscher ein Experiment durch, mit dem sich das kulturelle Lernen von Kindern und von Affen direkt vergleichen ließ. Während Schimpansen und Kapuzineraffen dabei scheiterten, absolvierten die Kinder den Test größtenteils erfolgreich.
Puzzlebox als Testgerät für Kinder und Affen
Das Experiment der Forscher bestand aus einer sogenannten Puzzlebox – einem Kasten, dem die Kinder und Affen durch drei zunehmend schwierigere Aktionen Belohnungen entlocken konnten. So musste im ersten Schritt nur ein Schieber zur Seite bewegt werden. Dieser gab die erste Belohnung frei – bei den Kindern ein buntes Bildchen, bei den Affen ein Stück Obst.
Im zweiten Schritt musste ein Knopf entweder nach oben oder nach unten gezogen werden, um den Schieber weiter zu öffnen und auch die zweite Belohnung freizugeben. Im letzten Schritt mussten Kinder und Affen mit dem Finger entweder ein blaues oder ein rotes Griffloch drehen, um auch die dritte und beste Belohnung zu erhalten.
Zusätzlicher Versuchsdurchgang für Affen
Sowohl die Kinder als auch die Schimpansen und Kapuzineraffen durften jeweils in Gruppen zu acht an der Puzzlebox herumprobieren. Den Affen räumten die Forscher dabei bis zu 53 Stunden Experimentierzeit ein, die Kinder mussten die Aufgaben innerhalb von nur 2,5 Stunden lösen.
Als zusätzliche Hilfestellung absolvierten die Schimpansen einen zusätzlichen Versuchsdurchgang, bei dem ein Affen hinzukam, der bereits vorher gelernt hatte, mit der Puzzlebox umzugehen. Aber dennoch löste bei den Kapuzineraffen keines, bei den Schimpansen nur eines von 33 untrainierten Tieren die dritte Aufgabe der Box. Die Kinder schnitten trotz kürzerer Zeit besser ab: Bei ihnen erreichten fünf von acht Gruppen die Lösung.
Unterschiede im Gruppenverhalten
Die Forscher führen dies auf die Unterschiede im Gruppenverhalten zurück: „Direkte gegenseitige Hilfe, beispielsweise durch den Hinweis ‚Drück diesen Knopf‘, haben wir nur bei den Kindern beobachtet“, berichten die Wissenschaftler. Während die Kinder zudem während des Herumpuzzelns sehr häufig einem anderen ihre Belohnung abgaben, sei dies bei den Affen in keinem einzigen Fall passiert. Selbst das Nachahmen von Bewegungen, wie beispielsweise das Drücken eines Knopfes, sei bei den Kindern deutlich häufiger vorgekommen als bei den Affen. (Science, 2012; doi:10.1126/science.1213969)
(Science / dapd, 02.03.2012 – NPO)