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Gesellschaft

So schläft die Welt

Gesellschaftliche Unterschiede bestimmen Schlafverhalten mit

Eine App hat Forschern verraten, wie Menschen rund um den Globus schlafen © wavebreakmedia/ iStock.com

Blick ins Schlafzimmer: Eine Reise-App fürs Handy hat Forschern verraten, wie Menschen rund um den Globus schlafen – und dass es dabei deutliche gesellschaftliche Unterschiede gibt.
Sie stellten fest: Menschen unterschiedlicher Nationen schlafen unterschiedlich lange – Japaner haben zum Beispiel eine besonders kurze Nacht. Soziale Zwänge sorgen bei ihnen dafür, dass sie ihre innere Uhr ignorieren.

Unser Stoffwechsel, unsere Hormone aber auch andere Körpervorgänge, folgen einem regelmäßigen Tag-Nacht-Zyklus. Dieser Takt unserer inneren Uhr wird von bestimmten Genen gesteuert und durch äußere Zeitgeber wie das Sonnenlicht mit der Umwelt synchronisiert. Damit nimmt die innere Uhr eine bedeutende Rolle für unsere Schlafzeiten ein: Sie bestimmt mit, wann wir Zubettgehen und wann wir wieder aufstehen.

Doch unsere moderne Lebensweise bringt den inneren Taktgeber immer wieder durcheinander: Künstliches Licht, Schichtarbeit und Jetlags, aber auch die Ernährung beeinflussen, wie unser Körper tickt. Zudem bestimmen im Alltag nicht selten Bürozeiten und soziale Verpflichtungen unsere Schlafzeiten – selbst wenn die innere Uhr eigentlich im Takt ist. Wie groß der Einfluss der Gesellschaft auf unseren Schlaf ist, haben nun Wissenschaftler um Olivia Walch von der University of Michigan untersucht.

Schlafgewohnheiten im Fokus

Für ihre Studie sammelten die Forscher Daten zu den Schlafgewohnheiten tausender Menschen aus über 100 Nationen ein. Diese stammen aus einer App, die Reisenden dabei helfen soll, sich an neue Zeitzonen zu gewöhnen. Damit die Anwendung gut funktioniert, müssen Nutzer zunächst bestimmte Informationen angeben – darunter ihre normalen Schlafenszeiten, die heimische Zeitzone und die Lichtumgebung, in der sie sich im Alltag am meisten aufhalten.

Viele Anwender haben Walch und ihren Kollegen diese persönlichen Daten anonym zur Verfügung gestellt. Die Forscher nutzten sie, um herauszufinden, wie sehr Faktoren wie Alter, Geschlecht, Lichtverhältnisse oder soziale Einflüsse bestimmen, wie viel wir schlafen.

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Frauen sind Langschläfer

Die Auswertung offenbarte: Vor allem die abendliche Schlafenszeit weicht häufig deutlich von dem durch das Sonnenlicht gesteuerten Tag-Nacht-Zyklus ab. Morgens jedoch treibt uns die innere Uhr oft taktgemäß aus den Federn. „Je später die Teilnehmer ins Bett gingen, desto weniger Schlaf bekamen sie in der Regel“, erläutern die Forscher.

Den größten Schlafmangel erlitten dabei im Schnitt die mittelalten Männer. Sie bekamen oft weniger als die empfohlenen sieben bis acht Stunden Ruhe. Frauen hingegen, gingen im Schnitt früher ins Bett und standen auch später auf. Sie schliefen im Durchschnitt jeden Tag 30 Minuten länger als die Männer.

Im Alter glichen sich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede jedoch wieder an, wie Walch und ihre Kollegen berichten. „Wahrscheinlich, weil ab Mitte 50 das Zeitfenster, indem Menschen einschlafen und durchschlafen können, immer enger wird“, vermuten sie. Auch wie viel Sonnenlicht eine Person am Tag ausgesetzt war, hatte erwartungsgemäß einen Einfluss auf die individuellen Schlafzeiten: Wer sich viel draußen aufhielt, ging früher uns Bett und schlief länger als Menschen, die die meiste Zeit ihres Tages drinnen verbrachten.

Japaner schlafen am kürzesten

Bedeutende Auswirkungen scheinen jedoch auch gesellschaftliche Besonderheiten zu haben. So fanden die Forscher heraus, dass sich die Schlafmuster geographisch sowie kulturell verwandter Länder häufig ähneln. Die Kurzschläfer unter den Nationen sind dabei die Japaner mit im Schnitt sieben Stunden und 24 Minuten pro Nacht und frühen Aufsteh- sowie späten Zubettgeh-Zeiten.

Am längsten schlafen die Niederländer: Sie schaffen acht Stunden und 12 Minuten. „Das mag zwar nicht nach einer großen Differenz klingen. Doch schon jede zusätzliche halbe Stunde Schlaf macht einen großen Unterschied für die kognitive Leistungsfähigkeit und die langfristige Gesundheit“, schreiben die Forscher.

Innere Uhr wird ignoriert

Für sie ist klar: Dass manche Menschen regelmäßig später ins Bett gehen, als ihre innere Uhr eigentlich vorgibt, hat soziale Gründe. „Biologische Signale werden offensichtlich aufgrund gesellschaftlicher Zwänge ignoriert – zum Beispiel, weil erwartet wird, mit weniger Schlaf auszukommen und mehr zu arbeiten.“

„Dass wir dank der App in das Schlafzimmer so vieler Menschen schauen konnten, zeigt, wie gut Citizen Science funktioniert. Das ist ein cooler Triumpf“, schließen die Wissenschaftler. (Science Advances, 2016; doi: 10.1126/sciadv.1501705)

(University of Michigan, AAAS, 09.05.2016 – DAL)

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