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Biologie

Skurril: Wapitis pfeifen wie die Ringgeister

Nordamerikanischer Hirsch stößt unerwartet hohe Schreie aus

Sieht aus wie ein röhrender Hirsch, zu hören ist aber vor allem ein geisterhaft hoher Schrei. © Yathin S Krishnappa/ CC-by-sa 3.0

Pfeifen statt Röhren: Der Schrei der nordamerikanischen Wapitis passt so gar nicht zu ihrer imposanten Statur. Denn sie stoßen hohe, durchdringende Schreie aus, die eher wie die Rufe der Ringgeister aus dem Herrn der Ringe klingen. Wie diese Hirsche diese seltsam hohen Rufe hervorbringen, haben Biologen nun erstmals aufgeklärt. Sie entdeckten dabei auch, dass die Wapitis tiefe und hohe Töne zugleich erzeugen können.

Normalerweise verrät die Tonhöhe einer Stimme oder eines Rufs zumindest in etwa die Größe des Rufers. Große Tiere – oder große Menschen – besitzen längere Stimmbänder und erzeugen daher auch tiefere Rufe. Es verwundert daher nicht, dass Elefanten sogar per Infraschall kommunizieren, währen der höchste Laut im Tierreich von einer kleinen Heuschrecke ausgestoßen wird.

Geisterhafte Schreie statt tiefem Röhren

Umso verwunderlicher sind daher die Rufe der Wapitis, der größten Hirsche Nordamerikas. Denn statt wie ihre Verwandten ein tiefes Röhren auszustoßen, produzieren sie schrille., hohe Töne, die über große Entfernungen hörbar sind. Die unheimlichen Laute ähneln ein wenig den Schreien, die die Ringgeister im Film und Buch „Herr der Ringe“ von sich geben.

David Reby von der University of Sussex und seine Kollegen haben nun diese seltsamen Rufe der Wapitis näher untersucht – und dabei Überraschendes entdeckt. Als sie die Bandbreite der Frequenzen dieser Rufe aufschlüsselten, zeigte sich neben den hohen Tönen von 2.000 bis zu 4.000 Hertz auch ein sehr viel tieferer Ton. Dieser hatte nur eine Frequenz von rund 150 Hertz und entsprach damit schon viel eher dem Röhren, das man von einem großen Hirsch erwarten würde.

Doppelter Ruf

Die Wapitis röhren demnach durchaus, wie die Forscher feststellten. Doch der leise tiefe Ton trägt nicht weit und wird von dem sehr viel durchdringenderen Pfeifen fast vollständig übertönt. Überraschenderweise scheinen die Hirsche ihre beide Rufe unabhängig voneinander zu produzieren. Denn manchmal steigt der geisterhafte Schrei in der Tonhöhe auf und ab, während das leise Röhren konstant bleibt, wie Reby und seine Kollegen beobachteten.

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Wie aber erzeugen die Wapitis diese doppelten Töne? Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher den Kehlkopf und Nasenbereich eines Wapitis, das kürzlich zugrunde gegangen war. Dabei zeigte sich: Die Stimmbänder des Hirschs sind rund 3,5 Zentimeter lang – das ist genau die Länge, die beim Schwingen das tiefe Röhren hervorbringt.

Schwingendes Gaumensegel

Im Rachen des Hirsches entdeckten die Wissenschaftler aber noch etwas: Das weiche, dünne Gaumensegel reicht bei diesen Tieren offenbar tief in den Rachen hinein. Dadurch aber kann es im Luftstrom schwingen und vibriert dann ähnlich wie das Blatt einer Oboe oder Klarinette. Ein physikalisches Modell ergab, dass die Schwingungen dieses Gaumensegels Töne mit Frequenzen von mehr als 2.600 Hertz hervorbringen kann – und damit das geisterhaft hohe Pfeifen.

Diese raffinierte Konstruktion erlaubt es den Wapiti, tief zu röhren und damit ihren Konkurrenten ihre Stärke und Größe zu demonstrieren, gleichzeitig aber durch hohe Schreie Weibchen selbst von fern anzulocken, wie die Forscher erklären. Welche Botschaften genau über die Ringgeister-Schreie vermittelt werden, das hoffen Reby und seine Kollegen in weiteren Untersuchungen herauszufinden. (Journal of Experimental Biology, 2016; doi: 10.1242/jeb.141135)

(The Company of Biologists, 21.04.2016 – NPO)

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