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Biologie

Skurril: Wallabys sind doppelt schwanger

Känguruweibchen entwickeln bereits vor der Geburt ihres Kindes einen neuen Embryo

Wallaby
Sumpfwallabys sind mitunter doppelt schwanger. © Geoff Shaw

Faszinierendes Phänomen: Manche Kängurus können doppelt schwanger werden – und das hat nichts mit Zwillingen zu tun. Wie Forscher berichten, haben Sumpfwallaby-Weibchen schon kurz vor der Geburt ihres Nachwuchses einen erneuten Eisprung und paaren sich. Als Folge wächst in ihrem Körper bereits ein zweiter Embryo heran, während der erste noch nicht einmal in den Beutel gekrabbelt ist. Die Tiere sind dadurch während ihres Reproduktionslebens kontinuierlich schwanger.

Kängurus haben eine besondere Strategie der Fortpflanzung: Der Fötus entwickelt sich bei ihnen zum großen Teil nicht innerhalb des Mutterleibs, sondern außerhalb in einem Beutel. Dort saugt sich das noch unreife Jungtier an einer Zitze fest und wird neun Monate lang gesäugt. Bei einigen Känguruarten hat das Muttertier schon kurz nach der Geburt einen Eisprung und kann sich erneut paaren.

Blick in den Känguru-Mutterleib

Doch bei Sumpfwallabys (Wallabia bicolor) geht es sogar noch schneller. Sie bilden bereits während der Endphase der Schwangerschaft einen neuen Embryo in ihrem Körper. Kurzum: Sie sind doppelt schwanger, wie Brandon Menzies von der University of Melbourne in Parkville und seine Kollegen nun herausgefunden haben.

Schon länger ist bekannt, dass schwangere Sumpfwallabys kurz vor der Geburt mitunter wieder Paarungsverhalten zeigen. Um herauszufinden, was hinter diesen Beobachtungen steckt, untersuchten die Wissenschaftler zehn wildlebende Weibchen aus dem australischen Bundesstaat Victoria. Für ihre Studie führten sie bei vier der Weibchen regelmäßig hochauflösende Ultraschalluntersuchungen durch, sechs weitere Wallabys wurden im gleichen Zeitraum auf Spermien im Urogenitaltrakt kontrolliert.

Dieses Ultraschallbild zeigt einen Wallaby-Embryo kurz vor der Geburt – zu diesem Zeitpunkt kann die Mutter bereits einen zweiten Embryo in ihrer anderen Gebärmutter tragen. © Thomas B. Hildebrandt

Doppelte Befruchtung

Die Ultraschallaufnahmen enthüllten, dass sich bei den Tieren am 26. Tag der Schwangerschaft die Embryos zu Föten entwickelt hatten, bei denen Kopf, Gliedmaßen und Herzschlag deutlich sichtbar waren. Parallel dazu wuchsen überraschenderweise bereits neue Follikel heran: Am 28. und 29. Tag hatte der größte davon einen Eisprung und es war deutlich ein neuer Gelbkörper erkennbar. Bei den nicht per Ultraschall untersuchten Kängurus fanden die Forscher ein bis zwei Tage vor der Geburt zudem Spermien.

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„Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Sumpfwallabys ein bis zwei Tage vor der Geburt – während einer bestehenden Schwangerschaft – einen neuen Eisprung haben, sich paaren und einen neuen Embryo ausbilden“, sagt Mitautor Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Bei den putzigen Beuteltieren kommt es demnach zu parallelen Schwangerschaften in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Fachleute sprechen von einer Superfötation. Doch wie ist dies überhaupt möglich?

Neuer Embryo wartet im Ruhezustand

Das Geheimnis ist, dass Kängurus zwei vollständig getrennte Gebärmuttertrakte besitzen, die über ihre jeweiligen Eileiter mit den Eierstöcken verbunden sind. „Dieses Arrangement gilt für alle Beuteltiere, aber die sich überlappenden Fortpflanzungszyklen scheinen eine Besonderheit der Sumpfwallabys zu sein“, sagt Kenzies Kollegin Marilyn Renfree. „Alle anderen weiblichen Beuteltiere der Familie der Känguruartigen haben einen Östrogenzyklus, der länger als die Dauer ihrer Schwangerschaft ist. Die Weibchen sind erst nach der Geburt wieder paarungsbereit.“

Wie die Forscher berichten, verharrt der zweite Embryo in einer Entwicklungsruhe, bis der ältere Nachwuchs neun Monate später den Beutel verlässt – eine ähnliche Strategie ist von Känguruarten bekannt, die unmittelbar nach der Geburt wieder schwanger werden. Zählt man diese sogenannte embryonale Diapause mit, sind Sumpfwallaby-Weibchen während ihres gesamten Reproduktionslebens durchgehend schwanger.

Feldhasen machen’s ähnlich

Dieses Phänomen weicht deutlich von dem normalen, gestuften Fortpflanzungssystem bei Säugetieren ab, wie Menzies und seine Kollegen betonen. Doch ganz einzigartig ist die Strategie nicht: Auch Feldhasen-Weibchen paaren sich wenige Tage vor der Geburt der Jungtiere ihres vorherigen Zyklus und legen während einer aktiven Schwangerschaft einen oder mehrere neue Embryos an. Diese entwickeln sich zunächst im Eileiter weiter und wandern direkt nach der Geburt in die Gebärmutter. „Dadurch erhöhen die Hasen das Fortpflanzungsergebnis einer Paarungssaison um 34,5 Prozent“, erklärt das Team.

Was die vorzeitige Befruchtung den Sumpfwallabys bringt, ist dagegen weniger klar. „Ein Zusammenhang mit einer Zeiteinsparung ist unwahrscheinlich, weil dieser Vorteil durch die lange Diapause des Embryos wieder verloren geht“, so die Wissenschaftler. (PNAS, 2020; doi: 10.1073/pnas.1922678117)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences/ Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung

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