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Paläontologie

Skurril: Urzeit-Sardellen mit Säbelzahn

50 Millionen Jahre alte Heringsverwandte waren ein gescheiteres Experiment der Evolution

Monosmilus chureloides
So könnte die urzeitliche "Säbelzahn-Sardelle" Monosmilus chureloides zu Lebzeiten ausgesehen haben. © Joschua Knüppe

Räuber mit Biss: Vor gut 50 Millionen Jahren gab es Fische mit einem gewaltigen „Säbelzahn“ im Oberkiefer, wie neue Fossilfunde belegen. Der Fangzahn dieser Fische war so groß, dass er aus ihrem geschlossenen Maul herausragte. Paläontologen sehen in diesen bizarren Raubfischen ein – gescheitertes – Experiment der Natur. Überraschend auch: Die schwimmenden Räuber sind Verwandte der heutigen Sardellen – harmloser, planktonfressender Schwarmfische.

Das Massenaussterben vor 66 Millionen Jahren beendete nicht nur die Ära der Dinosaurier, es bot den Überlebenden auch die Chance, neue Nischen zu erobern. Dies galt auch für die Knochenfische, die Gruppe, zu der heute 95 Prozent aller Fischarten gehören. Denn viele zuvor die Meere dominierenden Raubfische waren mit dem Ende der Kreidezeit ausgestorben, weshalb sich nun neue, teilweise bizarre Formen von räuberischen Fischen entwickelten.

Urzeit-Sardellen mit Großformat

Zu diesen skurrilen Urzeit-Räubern gehörten auch zwei eng verwandte Fischarten, deren Fossilien Paläontologen in Belgien und in Pakistan gefunden haben. Die Clupeopsis straeleni und Monosmilus chureloides getauften Urzeit-Fische sind 54 und 45 Millionen Jahre alt. Mit einem halben und einem Meter Körperlänge sind sie zudem relativ groß, wie Alessio Capobianco von der University of Michigan und seine Kollegen berichten.

Das Erstaunliche daran: Die Anatomie der Fossilien belegt, dass diese Urzeit-Fische zu den Heringsartigen (Clupeiformes) gehören – und damit zu einer Fischordnung, die heute vorwiegend kleine, planktonfressende Schwarmfische umfasst. Clupeopsis und Monosmilus könnten sogar zu den ältesten bekannten Vertretern der Sardellen gehören, wie die Paläontologen berichten. Doch im Gegensatz zu ihren heutigen Verwandten waren die beiden Urzeit-Fische weder klein noch harmlos.

Ein Säbelzahn im Maul

Nähere Untersuchungen enthüllten: Die Urzeit-Sardellen hatten ein ziemlich furchteinflößendes Gebiss. „Sie besaßen eine Reihe von vergrößerten Zähen am Unterkiefer, kombiniert mit einem einzelnen, extrem großen Säbelzahn im Oberkiefer“, berichten Capobianco und sein Team. Der einzeln stehende Säbelzahn war säbelförmig nach hinten gebogen und so lang, dass er aus dem geschlossenem Maul herausragte.

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Überraschend auch: Beide Urzeitfische besaßen jeweils nur einen dieser Fangzähne und in beiden Fällen stand er nicht mittig, sondern leicht seitlich der Mitte im sogenannten Vomer – einem Knochen mittig im Oberkiefer. Auf der anderen Seite war die Zahngrube dagegen leer. „Verlängerte Fangzähne im Vomer sind bei Knochenfischen sehr selten und unseres Wissens nach gibt es keine Gruppe, die ein solches asymmetrisches Zahnmuster zeigen wie diese beiden Arten aus dem Eozän“, sagen die Forscher.

Erst Räuber, dann Planktonfresser?

Nach Ansicht der Paläontologen sind diese Urzeit-Sardellen in doppelter Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen widerspricht ihre räuberische Lebensweise gängigen Annahmen über die Evolution der Heringsartigen. Denn bislang nahm man an, dass die frühen, ursprünglichen Formen dieser Fische sich von Plankton ernährten – so wie die meisten ihrer heutigen Vertreter. Einzelne räuberische Arten sollen sich erst im Nachhinein entwickelt haben.

Doch die Entdeckung von Clupeopsis und Monosmilus könnte nun gegen dieses Szenario sprechen. Die frühe Existenz der beiden räuberischen Sardellenarten deutet stattdessen daraufhin, dass die ersten Heringsartigen vielleicht doch Raubfische waren. Erst im Laufe der Evolution wurden sie dann zu den harmlosen Schwarmfischen von heute. „Clupeopsis und Monosmilus könnten diesen Ablauf der trophischen Evolution stützen“, so Capobianco und seine Kollegen.

„Gescheitertes Experiment der Natur“

Klar scheint aber auch, dass die beiden Säbelzahn-Sardellen ein eher exotisches Experiment der Evolution darstellen. „Unsere Entdeckung unterstreicht das außergewöhnliche evolutionäre Herumprobieren nach dem Massenaussterben am Ende der Kreidezeit“, sagt Capobianco. „Damals lebten Sardellen mit Säbelzähnen und andere gescheiterte Experimente der Natur noch gemeinsam mit uns vertrauten Fischgruppen im Ozean.“

Während die Säbelzahn-Sardellen und andere bizarre Zeitgenossen relativ schnell wieder ausstarben, setzten sich die Vorläufer der heutigen Fischarten durch und entwickelten sich weiter. (Royal Society Open Science, 2020; doi: 10.1098/rsos.192260)

Quelle: Royal Society

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