Biologie

Skurril: Pilze steuern Zombie-Ameisen

Manipulationsstrategien der Parasiten veränderten sich mit dem Klima

Willenlos: Einmal infiziert, folgen Rossameisen wie diese süamerikanische Spezies den Instruktionen des Pilzes. © David Hughes/ Penn State

Ferngesteuerte Insekten: Bestimmte parasitische Pilze befallen das Gehirn von Ameisen und beeinflussen deren Verhalten. Forscher haben nun herausgefunden, wovon es abhängt, was die Parasiten den Insekten dabei „einflüstern“: nämlich dem Klima. Demnach steuern die Pilze ihre Opfer in den Tropen anders als in den gemäßigten Breiten. Wahrscheinlich entstand diese Differenzierung vor Millionen von Jahren als Folge eines Klimawandels – und sicherte so das Überleben der Pilze.

Es klingt wie die Handlung eines schlechten Films: Ein Pilz dringt in den Kopf seines Opfers ein und übernimmt die Kontrolle über dessen Körper. Derart fremdgesteuert hilft das Opfer dem Parasiten dabei, sein Ziel zu erreichen – um dann zu sterben. Doch diese Geschichte stammt gar nicht aus Hollywood. Sie wurde von der Natur selbst geschrieben. Die Leidtragenden sind in diesem Fall unterschiedliche Arten von Rossameisen.

Diese Insekten werden von parasitischen Pilzen befallen, die jeweils auf eine ganz bestimmte Ameisenspezies spezialisiert sind und ihre Opfer sowohl als Nährstoffquelle nutzen als auch als Transportmittel. Infizierte Ameisen verwandeln sich durch den Befall in eine Art Zombie und folgen scheinbar willenlos spezifischen Instruktionen: Sie klettern hinauf in Bäume oder andere Pflanzen, beißen sich dort fest und verenden. Der Grund: Der Pilz kann sich hier gut vermehren und seine Sporen aus luftiger Höhe besonders effektiv verteilen – auf potenzielle neue Opfer.

Aus dem Kopf befallener Insekten wächst eine Pilzhyphe. © David Hughes/ Penn State

Unterschiedliche Instruktionen

Interessanter Weise scheint jedoch nicht jede Ameisenart dieselben Anweisungen von „ihrem“ Pilz einprogrammiert zu bekommen. So beißen sich manche Spezies an Blättern fest, andere hingegen an Zweigen oder Rinde. David Hughes von der Pennsylvania State University und seine Kollegen haben diesen Zusammenhang nun genauer unter die Lupe genommen. Sie wollten wissen: Wie kommt es zu den unterschiedlichen Verhaltensweisen?

Um das herauszufinden, werteten die Forscher eine Vielzahl wissenschaftlicher Daten zum Verhalten von Rossameisen aus unterschiedlichen Regionen der Erde aus. Dabei zeichnete sich ab: Offenbar spielt das Klima eine entscheidende Rolle. Denn sämtliche in den Tropen heimische Zombie-Arten steuern zielstrebig auf Blätter zu. In den gemäßigten Breiten wählen die ferngesteuerten Insekten dagegen Zweige und Rinde, um sich festzubeißen. Manchmal klammern sie sich dabei nicht nur mit ihrem Mundwerkzeug fest, sondern auch mit ihren Beinen.

Das Klima ist entscheidend

Die Erklärung dafür: „Im Sommer und Frühherbst gibt es überall dort, wo Rossameisen vorkommen, Blätter und Zweige im Überfluss. Im Herbst allerdings verlieren die Bäume in den gemäßigten Regionen ihre Blätter, während die Tropen immergrün sind“, sagt Hughes Kollegin Raquel Loreto. Zu dieser Jahreszeit würden die Insekten folglich mit den Blättern zu Boden fallen – und das wäre für die Pilze fatal. Denn vom Boden aus lassen sich ihre Sporen deutlich schlechter verteilen.

Genetische Untersuchungen der unterschiedlichen parasitischen Pilzarten legten anschließend nahe, dass es diese zweite Taktik nicht immer gab. So scheinen die evolutionär älteren Arten ihre Opfer durchweg zu Blättern zu schicken. Zweige als Ziel und die Zuhilfenahme der Beine scheinen erst später hinzugekommen zu sein und sich an unterschiedlichen Orten unabhängig voneinander entwickelt zu haben. „Wir schätzen, dass diese Veränderungen vor 40 bis 20 Millionen Jahren aufgetreten sind“, sagt Hughes.

Überlebenswichtige Anpassung

Fossilfunde stützen diese These: So belegt unter anderem eine 47 Millionen Jahre alte, konservierte Zombie-Ameise aus Deutschland, dass das Insekt damals festgebissen an einem Blatt seinen Tod fand. Zu dieser Zeit bedeckten feuchte, immergrüne Wälder nahezu den gesamten Planten, wie die Forscher berichten – vom Äquator bis zum Nord- und Südpol.

Als sich das Klima abkühlte, veränderte sich die Vegetation jedoch und es entstanden die typischen Wälder der gemäßigten Breiten. Pilze, die sich daran nicht anpassten, konnten sich mehr so gut vermehren. „Folglich muss es einen großen Selektionsdruck gegeben haben, der die Parasiten dazu veranlasste, ihre Manipulationsstrategien zu verändern“, schreibt das Team in einer Mitteilung. Und so entstanden in den gemäßigten Zonen im Laufe der Zeit Ameisen, die nicht mehr willenlos auf Blätter, sondern auf andere Pflanzenteile zusteuerten. (Evoluton, 2018)

(Penn State, 29.05.2018 – DAL)

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