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Psychologie

Sind Frauen wirklich gesprächiger?

Das Klischee stimmt nur zum Teil, wie ein Experiment jetzt zeigt

Der Schwatz in der Teeküche - typisch Frau? © freeimages

Frauen gelten als das gesprächigere Geschlecht – aber stimmt das auch? US-Forscher haben dieses Vorurteil mit Hilfe eines raffinierten Experiments und kleiner Sprachsensoren erneut überprüft. Das Resultat: Das Klischee stimmt nur zum Teil: Frauen reden nur dann mehr, wenn es um das Lösen einer Aufgabe geht und wenn sie in kleinen Gruppen stehen. Wird die Gruppe größer, haben dagegen Männer das größere Mundwerk.

Das Klischee kennt fast jeder: Männer gelten als die großen Schweiger, Frauen als ewige Plappermäuler. Aber gibt es diese Unterschiede in der Kommunikation wirklich? Bisherige Studien dazu sind widersprüchlich: Einige bestätigen das Vorurteil der gesprächigeren Frauen, andere sehen keine Unterschiede.

Ein möglicher Grund für diese Diskrepanzen: Die meisten dieser Untersuchungen beruhen auf Daten aus Experimenten im Labor oder aus Befragungen der Probanden, wie Jukka-Pekka Onnela von der Harvard School of Public Health in Boston und seine Kollegen erklären. Im Labor aber verhalten sich viele Versuchspersonen nicht so wie in natürlicher Umgebung, zudem lassen sich solche Versuche nur mit kleinen Gruppen durchführen – was die statistische Aussagekraft schwächt. Befragungen wiederum haben den Nachteil, dass Erinnerungen nicht immer korrekt sind.

„Soziometer“ zeichnet Gesprächsverhalten auf

Onnela und seine Kollegen haben nun eine neue Methode eingesetzt: „Die Entwicklung immer kleinerer Sensoren macht es heute möglich, das menschliche Gruppenverhalten unter natürlichen Bedingungen auch außerhalb des Labors zu untersuchen“, so die Forscher. Sie rüsteten dafür 42 männliche und 37 weibliche Studenten ihrer Universität und 54 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Callcenters einer Bank mit sogenannten Soziometern aus. Diese tragbaren Geräte erkennen mit Hilfe von Radiotransmittern die Nähe eines anderen Probanden und zeichnen gleichzeitig per Mikrophon das Sprechen des Trägers auf.

Die Studenten erhielten die Aufgabe, jeweils ein individuelles, fachbezogenes Projekt in einer bestimmten Zeit fertigzustellen. Während eines Zwölf-Stunden Tages zeichneten die Forscher dabei auf, wie oft und wie viel die Männer und Frauen sich mit Kommilitonen austauschten. Bei den Callcenter-Mitarbeitern war die einstündige Mittagspause das eigentliche Testszenario: Zwölf Tage lang registrierten die Wissenschaftler auch hier, wer wie viel mit wem redete.

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Wenn es ums Lernen oder um das Lösen von Aufgaben geht, tauschen sich Frauen tatsächlich mehr aus als Männer. © freeimages

Frauen reden mehr – aber nur wenn es um die Sache geht

Das Ergebnis zeigte interessante Unterschiede: In dem Mittagspausentest unterschied sich die Gesprächigkeit von Männern und Frauen kaum, weibliche Mitarbeiter redeten nur wenig mehr als die Männer. Anders dagegen im akademisch-fachlichen Bereich: Wenn es um den Austausch über das Projekt ging, führten die Frauen weitaus mehr und längere Gespräche als die Männer. Sie unterhielten sich zudem häufiger in reinen Frauengruppen als in gemischten Gruppen.

„Das stimmt gut mit vorhergehenden Ergebnissen überein, nach denen Frauen zu interaktiveren Lernstilen neigen als Männer“, erklären die Forscher. Frauen lernen demnach besser, wenn sie sich über die Inhalte mit anderen austauschen, sie sind kollaborativer. In einem Aufgaben-orientierten Kontext sind die daher gesprächiger. Geht es aber nur um zufällige Konversation, wie bei der Mittagspause, verhalten sich beide Geschlechter ähnlich.

In großen Gruppen geben Männer den Ton an

Interessanterweise spielte aber auch die Gruppengröße für die Gesprächigkeit eine entscheidende Rolle: Die Studentinnen redeten nur dann mehr, wenn sie zu zweit oder in kleinen Gruppen zusammenstanden oder saßen. Sobald die Gruppengröße sechs Personen überstieg, kehrte sich das Ganze um: Nun waren es die Männer, die den Hauptanteil der Gespräche führten. Nach Ansicht der Forscher belegen diese Beobachtungen, dass die Gesprächigkeit sowohl vom Kontext als auch von der Gruppengröße abhängig ist.

Dies könnte auch erklären, warum frühere Studien so widersprüchliche Ergebnisse erbrachten: Wurden dabei die Gruppengrößen unterschiedlich gewählt oder die Szenarien, dann zeigten sich mal Unterschiede zwischen den Geschlechtern, mal nicht. Die neue Studie zeigt nun, dass Frauen in der Tat das gesprächigere Geschlecht sind – aber nur, wenn es um eine Aufgabe oder Sache geht und wenn wenige beteiligt sind. In großen Gruppen geben dagegen die Männer den Ton an. (Nature Scientific Reports, 2014; doi: 10.1038/srep05604)

(Northeastern University / Scientific Reports, 16.07.2014 – NPO)

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