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Zoologie

Silberfische: Gestohlener Geruch als Tarnung im Ameisennest

Parasiten überlisten Abwehr durch chemische Mimikry

Ein parasitischer Silberfisch (Malayatelura ponerophila) wird im Nest von Treiberameisen (Leptogenys distinguenda) angegriffen, normalerweise entgeht der Silberfisch solchen Angriffen, indem er den Nestgeruch seiner Wirte annnimmt. © BioMed Central Limited

Silberfische nutzen eine raffinierte chemische Tarnung, um mitten im Nest von wehrhaften Treiberameisen zu überleben: Sie übernehmen den typischen Nestgeruch der Ameisen, indem sie sich an ihnen reiben. Auf diese Weise können die Ameisen sie nicht mehr von ihren Nestgenossen unterscheiden und lassen sie unbehelligt – selbst wenn die Silberfische ihnen vor ihren Augen Nahrung stehlen. Diese Tarnung per gestohlenem Duft haben jetzt Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstmals aufgeklärt. Sie berichten darüber im Fachmagazin „BMC Ecology“.

Ameisenkolonien sind für Parasiten und Räuber sehr verlockend, da sie dort einen reich gedeckten Tisch und einen geschützten Lebensraum vorfinden. Deshalb nutzen Ameisen Duftstoffe, um Freund und Feind zu unterscheiden. Alle Koloniemitglieder tragen dabei eine komplexe Mischung bestimmter Moleküle – vor allem Kohlenwasserstoffe – auf ihrem Körper, die sie als einheimisch identifizieren. Parasitische Untermieter überlisten diesen Schutzmechanismus allerdings häufig, indem sie die chemischen Signalstoffe imitieren – sie ziehen sich quasi eine chemische Tarnkappe über.

Wo Parasiten die tarnenden Duftstoffe herbekommen, blieb bisher allerdings meist ungewiss. „Theoretisch können sie die mimetischen Substanzen entweder vom Wirt stehlen oder diese selbst herstellen“, sagt Erstautor Christoph von Beeren von der LMU München. Erst jetzt habe man nachweisen können, dass die parasitischen Silberfische die Signalstoffe nicht selbst produzieren, sondern den richtigen Duft von ihren Wirten stehlen.

Markierte Moleküle von Ameisen auf Silberfische übertragen

Um die Herkunft der Tarndüfte aufzuklären, markierten die Wissenschaftler die Haut von Arbeiterinnen in einer Treiberameisenkolonie mit Deuterium-haltigen Molekülen. Deuterium ist ein Wasserstoff-Isotop, das leicht nachgewiesen werden kann und sich daher gut als Marker eignet. „Dieses Deuterium tauchte dann auf den Silberfischen wieder auf“, berichtet von Beeren. Der Forscher schlussfolgert daraus: Da das Deuterium nur von den Ameisen stammen konnte, müssen die Parasiten die Oberflächenstoffe ihrer Wirte gestohlen haben.

Beobachtungen im Ameisennest betätigten dann, dass die Stoffe tatsächlich durch intensiven Körperkontakt übertragen werden: Die Silberfische reiben sich an ihren Wirten und parfümieren sich so mit dem richtigen Duft. Eigene Oberflächenstoffe scheinen die Parasiten dagegen nicht zu produzieren, wie weitere Versuche zeigten: Wenn die Silberfische von den Ameisen isoliert wurden, nahm die Konzentration aller Duftstoffe auf ihrer Hautoberfläche ab. Ein selbst erzeugter Duft hätte dagegen auch in dieser Isolation weiterhin vorhanden sein müssen.

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Je genauer der imitierte Duft, desto besser der Schutz

Weitgehend ungeklärt war bisher auch, wie genau die Parasiten den Duft ihres Ameisennests treffen müssen: Werden Individuen, die sich nicht ausreichend chemisch tarnen, häufiger attackiert als solche mit perfekter Maskierung? Diese Frage können die Wissenschaftler nun mit einem Ja beantworten:

„Zuvor isolierte Silberfische, bei denen die Konzentration der Oberflächenstoffe abnahm und damit auch die chemische Ähnlichkeit zu ihrem Wirt, wurden von den Treiberameisen attackiert“, berichtet von Beeren. Der exakt richtige Duft sei demnach im Ameisenbau überlebenswichtig. (BMC Ecology, 2011)

(BMC Ecology / dapd, 02.12.2011 – NPO)

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