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Neurobiologie

Schusseligkeit: Ein Gen ist Schuld

Forscher haben ein Gen entdeckt, das beeinflusst wie vergesslich wir sind

Manche Menschen verlegen besonders häufig ihre Schlüssel © SXC

Schlüssel verlegt? Namen vergessen? Stoppschild übersehen? Wer häufig unter solchen Schusseligkeiten leidet, hat nun eine Erklärung dafür: Es liegt an den Genen. Genauer gesagt an dem Gen „DRD2“. Trägt man hier eine bestimmte Variante, dann ist man von Natur aus schusseliger als andere, wie deutsche Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Neuroscience Letters“ berichten.

Wer kennt nicht solche alltäglichen Schusseligkeiten: Schon wieder ist der Hausschlüssel unauffindbar! Man geht ins Nachbarzimmer und hat plötzlich vergessen, was man dort eigentlich wollte. Beim Telefonieren fällt einem der Name des Gesprächspartners nicht mehr ein. „Solche kurzzeitigen Aussetzer sind weit verbreitet, doch bei manchen Menschen treten sie besonders häufig auf“, sagt Koautor Martin Reuter von der Universität Bonn. Warum ist das so? Gemeinsam mit seinen Kollegen machte sich der Wissenschaftler daran, das herauszufinden.

Familiäre Häufung von Schusseligkeit

Eine erste Vermutung hatten die Wissenschaftler zu Beginn ihrer Studie schon: „Eine familiäre Häufung der Fehleranfälligkeit lässt vermuten, dass bei diesen Aussetzern genetische Einflüsse vorliegen“, sagt Erstautor Sebastian Markett von der Universität Bonn. Die Wissenschaftler haben im Labor schon vor längerem Hinweise gefunden, dass das sogenannte „Dopamin D2 Rezeptor-Gen“ (DRD2) an der Vergesslichkeit beteiligt sein könnte. Dieses Gen kommt in zwei verschiedenen Varianten vor: An einer bestimmten Position sitzt entweder die Base Cytosin oder Thymin als Baustein.

Ein Gen beeinflusst, wie vergesslich wir sind © SXC

Kann dieser kleine Unterschied in dem DRD2-Gen bewirken, dass wir mehr oder weniger schusselig sind? Um dies zu untersuchen testeten die Forscher insgesamt 500 Frauen und Männer auf dieses Gen hin. Sie entnahmen den Probanden Speichelproben, und analysierten, welche Variante des DRD2-Gens sie trugen. Außerdem ließen sie die Testpersonen einen Fragebogen ausfüllen: Wie oft vergessen Sie Namen? Wie häufig verlegen Sie Ihren Schlüssel? Wie leicht lassen Sie sich ablenken? Wie lange können Sie sich konzentrieren? Dies beispielsweise wollten die Wissenschaftler wissen.

Ein Gen kann das Gehirn aus dem Takt bringen

Der Vergleich der Genanalysen mit den Aussagen der Probanden über ihre eigene Schusseligkeit zeigte es dann: Das DRD2 scheint in der Tat Einfluss darauf zu nehmen, wie schusselig wir sind. Die Probanden, die der Thymin-DRD2-Variante angehören, sind nach eigenen Berichten häufiger „Opfer“ von Vergesslichkeit und lassen sich leichter ablenken. Umgekehrt scheint der Cytosin-Typ genau davor zu schützen, wie die Wissenschaftler berichten.

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Doch wie lässt sich dieser Zusammenhang erklären? DRD2 spielt eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Signalen in die Stirnlappen. „Diese Struktur ist mit einem Dirigenten vergleichbar, der das Gehirn als Orchester koordiniert“, führt Markett aus. Das DRD2-Gen entspricht in diesem Bild dem Taktstock. Gibt dieser zwischendurch das falsche Tempo vor, so kommt das Orchester schon mal durcheinander. Und die Thymin-Variante des Gens schwächelt offenbar eher mal bei seiner „taktgebenden“ Funktion, wie die Forscher aus ihren Beobachtungen schließen.

Viele Strategien können bei Schusseligkeit helfen © SXC

Mit der vererbten Vergesslichkeit richtig umgehen

Träger des „Schusseligkeitsgens“ könnten sich nun damit trösten, dass das Erbgut Schicksal ist und sie daher nichts für ihre Vergesslichkeit können. Doch Sebastian Markett möchte dies nicht gelten lassen: „Gegen Vergesslichkeit lässt sich etwas tun: Man kann sich Merkzettel schreiben oder mehr anstrengen, den Haustürschlüssel nicht irgendwo, sondern an einem bestimmten Platz aufzubewahren.“ Wer sich solche Strategien für die unterschiedlichen Lebenslagen zurechtlege, könne besser mit seiner Schusseligkeit umgehen. (Neuroscience Letters, 2014; doi: 10.1016/j.neulet.2014.02.052 )

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 20.03.2014 – KEL)

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