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Medizin

Schleimhaut erkennt Erkältungskeime am Bittergeschmack

Bitterstoff-Sensoren lösen Abwehr gegen Krankheitserreger aus

Bakterien der Art Pseudomonas aeruginosa (gelblich) im Raster-Scanning-Mikroskop (nachgefärbte Aufnahme) © CDC / Janice Haney Carr

Ein einfacher Geschmackstest könnte zukünftig verraten, wie anfällig jemand gegenüber Schnupfen und Erkältungen ist. Denn unser Körper erkennt Krankheitserreger in den Atemwegen über einen Sensor für den bitteren Geschmack. Das haben US-amerikanische Forscher herausgefunden. In Nase und Rachen eingedrungene Bakterien geben demnach spezifische, von diesen Sensoren registrierte Chemikalien ab. Diese lösen daraufhin die Abwehrreaktion der Schleimhäute aus: Schleim und antibakterielle Substanzen werden abgesondert und die feinen Härchen der Atemwege transportieren die darin eingehüllten Bakterien ab. Funktioniert dieser Bittersensor jedoch nicht richtig, wie bei einigen Menschen der Fall, dann bleibt diese Reaktion aus oder ist abgeschwächt. Diese auf Genvarianten beruhenden Unterschiede könnten erklären, warum manche Menschen anfälliger für Erkältungen seien als andere, berichten die Forscher im Fachmagazin „Journal of Clinical Investigation“.

Über die Atemluft gelangen ständig Fremdkörper und auch Krankheitserreger in unsere Atemwege. In den meisten Fällen jedoch reiche die erste Abwehrreaktion der Schleimhäute bereits aus, um solche Eindringlinge zu beseitigen, erklären Robert Lee von der University of Pennsylvania und seine Kollegen. Welche Signale aber die Produktion von Schleim und antibakteriellen Substanzen auslösen, sei bisher unbekannt gewesen. Vorherige Studien hätten aber bereits gezeigt, dass ein bestimmter Sensor für bitteren Geschmack, der sogenannte T2R38-Rezeptor, in den Schleimhäuten der oberen Atemwege besonders häufig vorkomme. Auf welche Stoffe dieser aber reagiere und ob er möglicherweise eine Rolle für die Erkennung von Eindringlingen spiele, habe man erst jetzt geklärt.

Bakterielle Bitterstoffe mobilisieren Abwehr

In einem ersten Test reagierten in Kultur gehaltene Proben menschlicher Schleimhaut sowohl auf künstliche Bitterstoffe, als auch auf eine Nährlösung, in der zuvor der Krankheitserreger Pseudomonas aeruginosa gehalten worden war. Das Gewebe habe Schleim und Stickstoffmonoxid produziert, ein antibakteriell wirkendes Gas, berichten die Wissenschaftler. Zudem hätten sich die feinen Härchen auf der Gewebeprobe schneller bewegt. Diese Reaktion sei nicht erfolgt, wenn die Bittersensoren in der Gewebeprobe aufgrund von genetischen Veränderungen nicht korrekt funktionierten.

Im nächsten Schritt testeten die Forscher, ob Menschen, deren Bittersensoren in den Schleimhäuten nicht oder nur teilweise funktionieren, Krankheitserreger tatsächlich schlechter abwehren können. Dazu analysierten sie die Sensorgene von Patienten, deren Mikrobenfauna in Nase und Rachen normal war und von solchen, die viele krankheitserregende Bakterien in den Atemwegen trugen. „Wir haben dabei signifikante Unterschiede gefunden“, berichten die Wissenschaftler. Unter den Patienten mit krankhaft veränderter Mikrobenfauna sei kein einziger gewesen, dessen Gene für den Bittersensor komplett in Ordnung waren. Umgekehrt hätten die meisten Patienten mit normaler Bakterienpopulation voll funktionsfähige Bittersensoren besessen. Das belege die Bedeutung dieses Sensors für die Abwehrreaktion der Atemwege, konstatieren Lee und seine Kollegen.

Nach Ansicht der Forscher könnte der neu entdeckte Zusammenhang auch einen ganz praktischen medizinischen Nutzen haben: Denn man könne sehr einfach durch einen Geschmackstest herausfinden, ob ein Mensch voll funktionsfähige Bittersensoren besitze oder nicht. „Das Ergebnis dieses Tests könnte dann anzeigen, ob dieser Patient besonders anfällig für bakterielle Atemwegsinfektionen ist und daher eine stärkere Therapie benötigt als andere“, schreiben die Wissenschaftler. (doi:10.1172/JCI64240)

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(Journal of Clinical Investigation, 09.10.2012 – NPO)

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