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Biologie

Schimpansen töten Gorillas

Biologen beobachten erstmals tödliche Angriffe von Schimpansen auf andere Menschenaffen

Schimpansen
Schimpansen-Männchen auf Erkundungsgang. Im Loango-Nationalpark in Gabun haben Forschende erstmals tödliche Angriffe dieser Menschenaffen auf Gorillas beobachtet. © Loango Chimpanzee Project/ Lara M. Southern

Überraschend aggressiv: Forscher haben zum ersten Mal beobachtet, dass Schimpansen in freier Wildbahn Gorillas angreifen und töten. In einem Nationalpark im Gabun griffen größere Schimpansengruppen zweimal eine kleinere Gruppe Gorillas an und töteten trotz deren Gegenwehr ein Jungtier. Solche interspezifischen Angriffe unter Menschenaffen wurden bislang noch nicht beobachtet. Warum die Schimpansen so handelten, ist noch unklar, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.

Lange galten unsere nächsten Verwandten als von Natur aus eher friedlich. Doch spätestens seit den Beobachtungen der Schimpansenforscherin Jane Goodall ist klar, dass auch die Menschenaffen untereinander tödliche Kämpfe austragen. Bei Schimpansen und Gorillas handelt es sich dabei meist um Angriffe auf rivalisierende Gruppen im Rahmen von territorialen Streitigkeiten. Schimpansen machen zudem gezielt Jagd auf andere Tiere, darunter auch Affen, und reichern ihren Speiseplan so mit Fleisch an.

Attacke auf Verwandte

Unbekannt waren dagegen bislang Angriffe von Menschenaffen auf Angehörige anderer Hominidenarten. „Interaktionen zwischen Schimpansen und Gorillas galten bislang als entspannt“, berichtet Seniorautorin Simone Pika von der der Universität Osnabrück. „Wir haben beide Arten regelmäßig friedlich in Futterbäumen beobachtet und unsere Kollegen aus dem Kongo wurden sogar Zeugen von gemeinsamen Spielen zwischen Schimpansen und Gorillas.“ Dies galt auch für die Menschenaffen im Loango-Nationalpark in Gabun, wo das Forschungsteam seit einigen Jahren das Verhalten von rund 45 Schimpansen beobachtet.

Doch im Jahr 2019 kam es gleich zweimal zu tödlichen Angriffen einer Schimpansengruppe auf Gorillas. „Zunächst hörten wir nur Schreie der Schimpansen und dachten, wir würden eine typische Begegnung zwischen benachbarten Schimpansen-Gemeinschaften beobachten“, berichtet Piks Kollegin Lara Southern. „Doch dann hörten wir Brusttrommeln, ein Imponierverhalten, das charakteristisch für Gorillas ist, und stellten fest, dass die Schimpansen auf eine Gruppe von fünf Gorillas gestoßen waren.“

Angriffe endeten für zwei Gorilla-Jungtiere tödlich

Die Begegnung der beiden Menschenaffengruppen verlief alles andere als friedlich: Die Gruppe aus 27 Schimpansen griff die Gorillas aggressiv an. Mit fünf beziehungsweise sieben Tiere in der Unterzahl wehrten sich die Gorillas zwar, konnten aber gegen die Übermacht nur wenig ausrichten. Die Silberrücken und mehrere erwachsene Weibchen konnten fliehen, während zwei Gorillakinder ihren Müttern entrissen und getötet wurden.

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„Dies sind die ersten Beobachtungen solcher tödlicher Angriffe von Schimpansen auf eine andere Menschenaffenart“, berichten die Forschenden. Warum es zu diesen Attacken kam, ist allerdings noch unklar. Gängiger Theorie nach gibt es vor allem zwei Motivationen für zwischenartliche Angriffe: Die Jagd nach Beute oder aber eine Konkurrenz um Nahrung.

Was ist der Grund für die zwischenartliche Aggression?

Von Schimpansen ist zwar bekannt, dass sie manchmal andere, kleinere Affen wegen ihres Fleisches jagen. Das Verhalten der angreifenden Schimpansen im Loango-Nationalpark passte allerdings nicht zu deren typischem Jagdverhalten: „Die Schimpansen waren laut, stießen Alarmrufe und Schreie aus und imponierten schon lange bevor es zur Tötung der Gorillajungen kam“, berichtet das Team. Bei einer Jagd zeigen die Affen dieses Verhalten erst hinterher.

Eine andere mögliche Erklärung wäre die Konkurrenz um Nahrung: „Die beiden tödlichen Angriffe ereigneten in einer Zeit, in der Nahrung knapp war und die Speisepläne beider Arten sich stark überlappten“, berichten Pika und ihre Kollegen. „Es könnte daher sein, dass die Schimpansen die Gorillas als Konkurrenten um Nahrung und Lebensraum ansahen und ähnlich aggressiv reagierten wie auf rivalisierende Schimpansengruppen.“

„Wir stehen erst am Anfang, die Auswirkungen der Nahrungskonkurrenz auf die Interaktionen zwischen den beiden Menschenaffenarten zu verstehen“, sagt Pika. „Unsere Studie zeigt, dass es noch sehr viel über unsere nächsten lebenden Verwandten zu erforschen und zu entdecken gibt und dass der Loango-Nationalpark mit seinem einzigartigen Mosaikhabitat ein einzigartiger Ort dafür ist.“ (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-93829-x)

Quelle: Universität Osnabrück

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