Karte der Gerüche: Schaben können Gerüche in ihrer Umwelt räumlich wahrnehmen. Registrieren die Duftsensoren ihrer Antennen beispielsweise einen Sexuallockstoff, dann erzeugen die Neuronen in ihrem Gehirn aus diesen Informationen eine dreidimensionale Duftkarte. Möglich wird dies, weil die Neuronen des Geruchssinns im Hirn von Schaben eine räumliche Struktur bilden, wie Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.
Körperabschnitte haben im Gehirn eine sensorische Entsprechung, eine Zuteilung Punkt-für-Punkt. Beispielsweise ist dem Fuß oder der Hand eine eigene Gruppe von Gehirnzellen zugewiesen. Bei einer Berührung kann das Gehirn aus der aktivierten Neuronengruppe rückschließen, welcher Körperteil berührt wurde. So entsteht eine dreidimensionale Karte unserer Körperabschnitte im Gehirn – der sogenannte sensorische „Homunkulus“.
Ein Blick ins Schabenhirn
Gibt es aber auch einen „olfaktorischen Homunkulus“ im Hirn? Hat auch der Geruchssinn solch eine räumliche neuronale Struktur, eine Orientierungshilfe für das Gehirn? Diese Fragen haben Hiroshi Nishino von der Hokkaido Universität in Sapporo und seine Kollegen nun am Beispiel der Amerikanischen Großschabe (Periplaneta americana) untersucht.
Für Schaben, wie für die meisten Tiere, haben Düfte eine große Bedeutung. Mit ihren körperlangen Antennen nimmt die Schabe aufeinander folgende Stichproben von Düften aus der Umgebung auf. Zu diesem Zweck befinden sich auf den Antennen Geruchsrezeptoren, die jeweils mit ganz speziellen Duftmolekülen interagieren. Über die Position der Rezeptoren auf den Antennen erhalten die Insekten Informationen über die räumliche Position eines Duftstoffes.
Die Forscher untersuchten für ihre Studie, wie das Schabenhirn auf den Duftstoff des weiblichen Sexualpheromons reagiert und wie der für dessen Wahrnehmung zuständige Nervenknoten, der Makroglomerulus, strukturiert ist. Mit bildgebenden Verfahren kartierten sie so das Hirn der Schabe.
Schaben besitzen ein olfaktorisches Orientierungssystem
Wie die Wissenschaftler feststellten, spiegelt der Makroglomerulus die räumliche Anordnung der Antennensensoren für die Sexualpheromone wider – eine Punkt-für-Punkt Zuordnung. So regen Rezeptorneuronen vom entfernteren Teil der Antenne den mittleren Teil des Makroglomerulus an, während Rezeptorneuronen vom näheren Teil der Antenne einen seitlicheren Teil aktivieren. Rezeptoren, die sich auf der Antenne nebeneinander befinden, sind im Makroglomerulus ebenfalls nebeneinander angeordnet.
Die Forscher haben damit demonstriert, dass es einen „olfaktorischen Homunkulus“ gibt, eine im Gehirn eingebaute Orientierungshilfe für Gerüche im Raum. Die Studie beschreibt damit die erste neuronale Architektur, die in der Lage ist, Gerüche zu kartieren. Gleichzeitig ist es ein erster Hinweis, dass Schaben ihre Außenwelt räumlich wahrnehmen – allerdings als dreidimensionale Geruchswelt.
Es geht nicht nur um Schaben
An der Universität Konstanz wird nun daran weiter geforscht, inwiefern sich die Ergebnisse der Studie auf andere Insekten, wie Fliegen und Bienen, übertragen lassen, die sehr kurze Antennen haben. Am Ende geht es immer aber auch um grundsätzliche Mechanismen der Informationsverarbeitung im Hirn – auch des Menschen. (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2017.12.055)
(Universität Konstanz, 20.02.2018 – YBR)