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Medizin

Salatgurken mit EHEC-Erreger belastet

RKI warnt vor dem Verzehr von Tomaten, Gurken und Blattsalaten

Münsteraner Forscher haben den genauen Typ des Darmkeims gefunden, der für den aktuellen Ausbruch der EHEC-Infektionen in Deutschland verantwortlich ist. Und auch die Suche nach der Quelle der Ansteckungen bringt allmählich Erfolge: Das Hamburger Hygiene-Institut (HU) hat eine Salatgurke aus Spanien eindeutig als Träger von enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) identifiziert. Proben an zwei weiteren spanischen Gurken und einer Gurke bislang unbekannter Herkunft lieferten in Untersuchungen ebenfalls positive EHEC-Nachweise.

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„Der Verdacht hinsichtlich des Auslösers der Erkrankungen geht nun gezielt in Richtung Gurken“, so Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. „Informationen zur Herkunft und weitere Details werden jetzt zusammengestellt. Diese Ergebnisse sind ein großer Erfolg unserer umfangreichen Suche und werden die weiteren Ermittlungen hoffentlich einen großen Schritt voran bringen.“ Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte bereits gestern vor Tomaten, Gurken und Blattsalaten vor allem aus dem Raum Norddeutschland gewarnt – offenbar zu recht.

Auch andere Lebensmittel betroffen?

„Der Verzehr verunreinigter Gurken würde viele der HUS-Fälle in Hamburg erklären. Da die Studie jedoch bislang lediglich in Hamburg durchgeführt wurde, hat sie nur bedingt Aussagewert für andere betroffene Orte“, so Prüfer-Storcks. „Es ist also nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle in Frage kommen. Deshalb werden wir auch im HU weiter intensiv testen.“

Aufgrund der Hinweise aus den Befragungen des RKI wurden bereits seit dem Wochenende Lebensmittelproben, darunter auch Gurken, vom Großmarkt sowie bei großen Handelsketten gezogen. Desweiteren wurden auch Lebensmittelproben aus den Privathaushalten erkrankter Personen untersucht, soweit noch verdächtiges Material vorhanden war. Der Fokus liegt derzeit auf der Ermittlung von Vertriebswegen, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Erkrankungsfällen in den Ländern herstellen zu können.

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Erreger dingfest gemacht

Wissenschaftler vom Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM) konnten unterdessen den Erreger dingfest machen, der die so genannte EHEC-Epidemie ausgelöst hat. Es ist ein „alter Bekannter“. „Es handelt sich um einen Vertreter des Typs ‚HUSEC 41‘ des Sequenztyps ST678. Dies ist einer von 42 repräsentativen EHEC-Typen der HUSEC-Sammlung, die das Institut für Hygiene zusammen mit den Kollegen am Robert-Koch-Institut in Wernigerode aus bisher 588 EHEC-Stämmen von Patienten mit HUS der Jahre 1996 bis 2011 etabliert hat“, erklärte Professor Dr. Helge Karch.

Identifizierter EHEC-Typ bisher unauffällig

Diese weltweit einmalige Sammlung enthält somit alle 42 EHEC-Typen, die seit 1996 in Deutschland bei Patienten mit HUS aufgetreten sind. „Seit 2007 sind keine neuen HUSEC-Typen in Deutschland mehr dazugekommen. Deshalb haben wir uns schon etwas gewundert, dass der Ausbruchstamm ein Bekannter ist, allerdings ist er bisher nicht auffällig in Erscheinung getreten“, so Karch. Mit diesem EHEC-Typ ist es bisher weder in Deutschland noch weltweit zu dokumentierten Ausbrüchen gekommen.

Karch erläutertete zudem die bislang bekannten Details: „Dem Ausbruchsstamm fehlt das in circa 95 Prozent der mit HUS assoziierten EHEC vorkommende eae-Gen, aber er besitzt dafür das für die Eisenaufnahme und Anheftung wichtige iha-Gen und er schüttet Shiga Toxin 2 aus. Außerdem konnte in Münster das für das Flagellin kodierende flicH4 Gen nachgewiesen werden. Der Ausbruchstamm ist ein ESBL-Produzent.“ Das bedeutet, dass Peniciline und Cephalosporine gegen diesen Stamm nicht wirksam sind, sondern nur Carbapeneme aus der Gruppe der Beta-Lactam-Antiobiotika.

Forscher entwickeln Schnelltest

Aufgrund der einzigartigen Kombination von Erregereigenschaften stand für Karch bereits am Mittwochnachmittag fest, dass es sich bei Patientenproben aus vier verschiedenen Städten um denselben Stamm handeln musste. Im Verlauf des Abends konnte dann der exakte Sequenztyp des EHEC-Ausbruchstammes identifiziert werden.

Mittlerweile haben Karch und sein Team damit begonnen, einen hochspezifischen Test zu entwickeln. So soll bei Patienten bzw. Verdachtsfällen eine schnelle Bestätigung der neuen Erregervariante durchgeführt werden können. Der Test soll in wenigen Tagen zur Verfügung stehen. Dazu Karch: „Dieser Test soll auch helfen, die Epidemiologie von HUSEC 41, zu der wir noch nichts wissen, aufzuklären.“

Und weiter: „Die Identifizierung der Erregervariante ist ein wichtiger Schritt auf der Suche nach den Übertragungswegen. Aber natürlich steht für uns die Versorgung der betroffenen Menschen an erster Stelle. Gerade dabei kommt es auf eine schnelle Bestätigung des Erregers an, die wir mit dem Test bieten wollen.“

Gesamtgenomsequenz wird ermittelt

Weiterhin wurde in Münster noch gestern damit begonnen, die Gesamtgenomsequenz des Ausbruchstammes im Vergleich zu HUSEC 41 zu ermitteln. Diese Analyse wird bald vorliegen und zeigen, in welchem Maße sich der Ausbruchsstamm im Vergleich zu HUSEC 41 exakt verändert hat.

Drei Tote und immer mehr Infizierte

In den letzten Tagen hat sich die Zahl der in Deutschland von der gefährlichen Darmepidemie Betroffenen weiter stark erhöht. Mittlerweile sind über 600 Menschen mit dem Keim infiziert. Rund 214 von ihnen sind schwer erkrankt und leiden unter Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, zunehmende Bauchschmerzen und blutigem Durchfall und müssen zum Teil auf der Intensivstation von Krankenhäusern behandelt werden. Darüberhinaus sind bisher mindestens drei Menschen an den Folgen einer EHEC-Infektion gestorben. Erste EHEC-Fälle werden mittlerweile auch aus Schweden, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden gemeldet.

Immer wieder EHEC

EHEC-Ausbrüche hat es in Deutschland in den letzten Jahren regelmäßig gegeben. Im Durchschnitt traten dabei 800 bis 1.200 Fälle innerhalb von zwölf Monaten auf. Angesteckt mit dem Erreger hatten sich dabei vor allem Kinder, die Erkrankungen waren meist leichterer Natur. Doch dieses Jahr ist alles anders.

„Die Zahl der schweren Verläufe in einem kurzen Zeitraum ist sehr ungewöhnlich, auch die betroffenen Altersgruppen sind untypisch. Aktuell sind vor allem Erwachsene, überwiegend Frauen, betroffen“, so das RKI auf seiner Webseite.

Epidemie beherrschbar?

Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe geht trotzdem davon aus, dass man die zurzeit grassierende Epidemie eindämmen kann. „Wenn die Bürger jetzt die Hygiene-Empfehlungen einhalten, dann kann die schnelle Verbreitung des EHEC-Bakteriums gestoppt werden. Ich gehe davon aus, dass das gelingen wird“, sagte Hoppe im Interview mit der „Rheinischen Post“.

Weitere Informationen in unserem Special „EHEC-Epidemie in Deutschland“

(Universitätsklinikum Münster / RKI / Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt, 26.05.2011 – DLO)

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