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Biologie

Ratte kann weder Kauen noch Nagen

Wissenschaftler entdecken Nagetiere mit ungewöhnlichem Gebiss in Indonesien

Exemplar der neu entdeckten Rattenart Paucidentomys vermidax © Kevin Rowe

Im Indonesischen Regenwald lebt eine Ratte mit einem ganz besonderen Gebiss. Außer zwei kleiner, spitzer Zähne an der oberen Kieferfront, ist das Nagetier komplett zahnlos. Es kann somit weder kauen noch nagen, berichtet das Entdeckerteam der Tierart im Fachmagazin „Biology Letters“. Dieser Fund kam für die Wissenschaftler sehr überraschend, denn alle bisher bekannten Nagetiere haben sowohl Backen- wie ausgeprägte Schneidezähne, die ihnen ihre speziellen Beißfähigkeiten verleihen. Die neu entdeckte Ratte hat dies jedoch gar nicht nötig, vermuten die Forscher. Denn ihre Hauptmahlzeit besteht aus weichen Erdwürmern, die sie wahrscheinlich in grobe Stücke zerteilt und herunterschlingt. Bei der Anpassung an neue Lebensräume, scheinen Tiere während der Evolution erlangte Fähigkeiten offenbar auch wieder zurückzubilden, schlussfolgern die Forscher.

„Es gibt mehr als 2.200 Nagetierarten auf der Welt“, sagt Kevin Rowe, Studienautor und Kurator für Säugetiere am Victoria Museum in Melbourne. Bisher wurde jedoch keine Spezies entdeckt, der Backen- wie Schneidezähne in Unter- und Oberkiefer fehlen. Schließlich hätten die Nagetiere, wie ihr Name schon sagt, ihr Gebiss eigens für spezielle Nagearbeiten zur Futtersuche oder dem Bau einer Behausung entwickelt. Die nun in Indonesien entdeckte, fast zahnlose Rattenart sei deshalb einzigartig, erklären Rowe und seine Kollegen.

Forscher sammelten im Urwald Tiere mit Fallgruben

Ihre Entdeckung machten die Wissenschaftler während einer Forschungsexkursion in den Bergen der indonesischen Insel Sulawesi. Dort sammelten sie mithilfe von Fallgruben kleine Säugetiere und verglichen ihren Fang mit bisher bekannten Arten. Als sie dabei die neue Nagerspezies entdeckten, staunten sie über deren ungewöhnlichen Kiefer: Die extrem lange und Spitze Schnauze der Rate zeigt lediglich zwei kleine, schneidezahnartige Hauer am oberen Kiefer auf. Als sie auch den Mageninhalt ihres Fangs untersuchten, fanden sie ausschließlich fünf bis zehn Millimeter lange Überreste von Erdwürmern. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass sich die Ratten nur von Würmern ernähren und sie in Stücke hacken bevor sie diese verschlingen.

Mit ihrer Spitzen Schnauze kann die Ratte im Boden nach Würmern wühlen. © Kevin Rowe

Wurmfresser braucht kaum Zähne

Aufgrund ihres speziellen Gebisses und ihrer Ernährungsgewohnheiten gaben die Forscher ihrer Entdeckung den lateinischen Namen Paucidentomys vermidax. Denn Paucidentomys bedeutet „fast zahnlose Maus“ und vermidax „Wurmfresser“. Bei der Anpassung an das Leben am Urwaldboden und dem dort herrschenden Wurmreichtum brauche die Ratte kein starkes Gebiss mehr, erklären die Forscher die besondere Anatomie des Nagetiers. Für sie sei vielmehr die lange, dünne Schnauze wichtig, mit der sie in der Erde nach Würmern graben kann. „Dies ist ein Beispiel, wie bestimmte Arten bereits erlangte Fähigkeiten auch wieder zurückzubilden, wenn die Lebensbedingungen dies erfordern“, sagt Rowe. Zudem zeige ihre Entdeckung, dass trotz des steigenden Artenverlusts weltweit, auch neue Arten in intakten, gesunden Wäldern entstehen können und noch auf ihre Entdeckung warten. (doi: 10.1098/rsbl.2012.0574)

(Biology Letters, 22.08.2012 – INR)

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