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Biologie

Rätsel um Tiefseefisch-Zähne gelöst

Besondere Nanostruktur macht Beißer von Tiefseebewohnern transparent

Tiefseefisch
Die Zähne des Tiefseefisches Aristostomias scintillans bleiben für potenzielle Opfer unsichtbar. © David Baillot/ UC San Diego Jacobs School of Engineering

Unsichtbare Waffen: Forscher haben herausgefunden, warum die Zähne mancher Tiefseefische transparent erscheinen. Das Geheimnis liegt demnach in der besonderen Nanostruktur der Beißer. Sie sorgt dafür, dass die Zähne der Tiefseebewohner durchsichtig sind und auch bei Lichteinfall in der dunklen Umgebung unsichtbar bleiben – ein entscheidender Vorteil bei der Beutejagd. Dieses Patent könnte in Zukunft als Vorbild für neue transparente Materialien dienen.

Die Tiefsee ist ein Ort der ewigen Finsternis – und Heimat wahrlich bizarrer Kreaturen: Hunderte Meter unter der Meeresoberfläche leben Fische mit riesigen Augen, fratzenhaften Gesichtern und überproportional großen Mäulern, die ihre Beute mit selbsterzeugten Lichteffekten anlocken. Zu diesen seltsam anmutenden Räubern gehört auch Aristostomias scintillans aus der Familie der Barten-Drachenfische.

Diese nur rund 15 Zentimeter langen Tiefseefische zählen zu den Spitzenjägern in ihrem Revier und haben eine weitere besondere Eigenschaft: Ihre Zähne sind nicht weiß, sondern transparent. „Auch einige andere Tiefseefische verfügen über dieses interessante Merkmal. Wie es zustande kommt, ist bisher jedoch noch nie erforscht worden“, erklären Audrey Velasco-Hogan von der University of California in San Diego und ihre Kollegen.

Gefährliche Waffen

Um mehr über die Beißer des Drachenfisches zu erfahren, haben die Wissenschaftler sie nun genauer unter die Lupe genommen. Dabei sorgten schon die ersten Tests für eine Überraschung: Die Zähne von A. scintillans sind extrem hart und scharf und damit ähnlich gefährlich wie die von berüchtigten Raubfischen wie dem Weißen Hai oder Piranhas.

Doch wie kommt nun die Transparenz der Zähne zustande? Untersuchungen unter anderem mithilfe der Elektronenmikroskopie offenbarten, dass die Zahnstruktur des Fisches auf den ersten Blick mit der unsrigen vergleichbar ist. Demnach bestehen die Beißer aus einer äußeren Zahnschmelz- und einer inneren Dentin-Schicht.

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Nanostruktur sorgt für Transparenz

Das Besondere aber: In beiden Schichten finden sich Nanokristalle aus Hydroxylapatit. Im Zahnschmelz liegen diese Minikristalle zerstreut und in einer Größe von rund 20 Nanometern vor. Im Dentin beschichtet das Hydroxylapatit dagegen Kollagenfibrillen und bildet gemeinsam mit ihnen winzige Stäbchen mit einem Durchmesser von etwa fünf Nanometern. Kanälchenstrukturen im Mikromaßstab, die zum Beispiel bei menschlichen Zähnen die Farbgebung beeinflussen, fehlen dem Dentin, wie die Forscher herausfanden.

Diese spezielle Nanostruktur sorgt ihnen zufolge dafür, dass die Zähne einfallendes Licht kaum reflektieren oder streuen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Beißer des Drachenfisches sehr dünn sind. „Normalerweise sind Zähne nicht nanostrukturiert“, sagt Velasco-Hogan. „Aus materialwissenschaftlicher Sicht ist es sehr interessant, dass die Architektur der Drachenfisch-Zähne so anders ist als das, was wir von den meisten anderen Tieren kennen.“

Gut getarnt

Warum aber haben A. scintillans und einige weitere Bewohner der Tiefsee im Laufe der Evolution überhaupt transparente Beißer entwickelt? Die Wissenschaftler vermuten einen Vorteil bei der Beutejagd: Viele Lebewesen in der Tiefsee können Licht produzieren, um zu navigieren, Feinde zu verwirren oder Opfer anzulocken – auch der Drachenfisch nutzt diese Strategie. „Doch die Zähne dieses Fisches sind proportional zu seinem Maul sehr groß. Sollten sie sichtbar werden, würde jedes Beutetier sofort flüchten“, erklärt Velasco-Hogans Kollege Marc Meyers.

Dank ihrer besonderen Struktur bleiben die Zähne des Räubers jedoch trotz Lichteffekten im Verborgenen und bilden keinen Kontrast zum umgebenden Wasser. „In Kombination mit der schwarzen Haut bilden die scharfen Zähne somit eine tödliche, unsichtbare Waffe“, resümieren die Wissenschaftler.

Vorbild für neue Materialien?

Wie das Forscherteam betont, liefert die Studie nicht nur neue Einblicke in die Biologie der geheimnisvollen Tiefseebewohner. Möglicherweise lassen sich nach dem Vorbild des Drachenfisches auch neue tarnsparente Materialien entwickeln. „Die Anpassungen von Organismen an bestimmte Umgebungen zu studieren und zu nutzen, war schon immer ein Treiber für technologische Innovation. Der Drachenfisch bildet da keine Ausnahme“, schließt Velasco-Hogans Kollege Dimitri Deheyn. (Matter, 2019; doi: 10.1016/j.matt.2019.05.010)

Quelle: Cell Press/ University of California San Diego

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