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Biologie

Präriehunde als „Mörder“ entlarvt

Nordamerikanische Erdhörnchen töten gezielt Nahrungskonkurrenten in ihrem Territorium

Auf den ersten Blick niedlich und harmlos: der Weißschwanz-Präriehund (Cynomys leucurus). © gemeinfrei

Von wegen niedlich und harmlos: Präriehunde scheuen auch vor Mord nicht zurück, um Nahrungskonkurrenten auszuschalten. Obwohl sie Pflanzenfresser sind, beißen sie manchmal kleinere Erdhörnchen tot, die sich in ihrem Territorium breitmachen, wie Biologen beobachteten. Dies ist das erste bekannte Beispiel für eine solche zwischenartliche Tötung bei pflanzenfressenden Säugetieren, wie die Forscher im Fachmagazin “ Proceedings of the Royal Society B“ berichten.

Plumper, Körper, kurze Beinchen und wachsam die Umgebung musternd – die in Nordamerika lebenden Präriehunde wirken auf den ersten Blick recht possierlich. Die sozialen Pflanzenfresser leben in Kolonien aua vielen Familienclans zusammen und sind dabei untereinander eher friedlich. Doch gegenüber anderen Erdhörnchen-Arten gilt dies offenbar nicht, wie John Hoogland von der University of Maryland und Charles Brown von der University of Tulsa herausgefunden haben.

Die Biologen haben für ihre Studie sechs Jahre lang eine Kolonie von Weißschwanz-Präriehunden (Cynomys leucurus) in Colorado beobachtet. Diese teilen sich dort ihren Lebensraum mit Wyoming-Zieseln (Urocitellus elegans), einer etwa halb so großen, eng verwandten Erdhörnchen-Art. Mit Hilfe von Ohrmarken und Fellmarkierungen beobachteten die Forscher das Verhalten der einzelnen Tiere von Beobachtungstürmen aus.

Das Opfer: Wyoming-Ziesel (Urocitellus elegans) beim Fressen. © Jtchagbele/ CC-by-sa 3.0

Gezielte Tötungsbisse

Dabei bemerkten sie Erstaunliches: Immer wieder kam es vor, dass ein Präriehund-Weibchen ein Ziesel nicht nur jagte, sondern es gezielt tötete. „Der Präriehund biss dabei das Ziesel wiederholt in den Kopf, Nacken oder die Brust, bis es starb“, berichten Hoogland und Brown. „Dann verließ es den Leichnam und fraß an der nahegelegenen Vegetation weiter.“ Der Kadaver des toten Ziesels wurde dann meist nach einiger Zeit von einem Greifvogel erspäht und weggetragen.

Diese Tötungen geschahen meist so schnell, dass sie den Forschern vor dieser Studie nie aufgefallen waren, wie sie selbst berichten. Im Laufe der sechs Jahre beobachteten die Biologen immerhin 163 Fälle solcher Tötungen, meist nach einer Verfolgungsjagd, manchmal aber auch als Ergebnis eines gezielten Auflauerns. Opfer waren dabei meist junge Ziesel, die „Killer“ waren fast immer säugende Präriehund-Weibchen.

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Es gibt sogar Serienkiller

Wie die Wissenschaftler ermittelten, tötete etwa ein Drittel aller Weibchen im Laufe ihres Lebens mindestens ein Ziesel, wie die Wissenschaftler ermittelten. Einige Präriehunde allerdings waren fast schon Serienkiller: „Ein Weibchen tötete in vier Jahren neun Ziesel, ein anderes sechs Ziesel in fünf Jahren“, berichten sie.

Des Tötens überführt: Weißschwanz-Präriehund am Erdloch. © gemeinfrei

„Unsere Ergebnisse sind überraschend, weil sowohl Präriehunde als auch Ziesel pflanzenfressend sind und noch dazu unterschiedliche Größe haben“, so Hoogland und Brown. „Bisher waren solche Fälle zwischenartlicher Tötung nur von Raubtieren bekannt.“ Bei pflanzenfressenden Säugetieren kannte man diese Form der Aggression bisher dagegen nicht.

Töten steigert die biologische Fitness

Aber warum töten die Präriehunde ihre harmlosen Nachbarn? Ein naheliegender Grund: Das Töten schafft Nahrungskonkurrenz aus dem Weg und erhöht damit die biologische Fitness der Präriehund-Weibchen. Sind weniger Ziesel vorhanden, bleibt mehr Gras für die Präriehunde und ihren Nachwuchs übrig. Langfristig sind diese Weibchen damit im Vorteil – der Aufwand der Zieseljagd lohnt sich daher.

Und tatsächlich: „Killer“-Weibchen zogen im Durchschnitt größere Würfe groß und besaßen auch generell eine größere Fitness als ihre friedlicheren Nachbarinnen. „Offenbar führt schon die Entfernung von mindestens einem Ziesel aus dem Territorium der Mutter dazu, dass sie und ihre Jungen mehr Pflanzennahrung bekommen“, so Hoogland und Brown. „Dies ist der erste Beleg dafür, dass eine zwischenartliche Tötung die biologische Fitness von Wildtieren erhöhen kann.“

Kompromiss für die Ziesel

Angesichts der Gefahr für die Ziesel stellt sich die Frage, warum diese trotzdem im Lebensraum der Präriehunde siedeln. Offenbar wiegen die Vorteile die Nachteile auf. „Das Leben mit den Präriehunden stellt für die Ziesel wahrscheinlich eine Art Kompromiss dar“, erklären die Forscher. „Sie sterben zwar häufiger durch die zwischenartliche Tötung, dafür ist die Mortalität durch Raubtiere geringer.“

Denn in der Präriehund-Kolonie halten immer einige Tiere Wache und stoßen Alarmrufe aus, wenn sich ein Greifvogel oder anderer Feind nähert. Das gibt auch den Zieseln genug Zeit, sich in ihren Bauen in Sicherheit zu bringen. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2016; doi: 10.1098/rspb.2016.0144)

(Royal Society, 23.03.2016 – NPO)

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