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Biologie

Nordsee: Invasiver Meereswurm breitet sich aus

Erste Funde des austernschädigenden Wurms Polydora im Wattenmeer

Polydora websteri
Der Borstenwurm Polydora websteri (orange) ist nun auch in die Nordsee eingeschleppt worden. © Dagmar Lackschewitz

Mit dem Austernhandel eingeschleppt? Forscher haben erstmals den Meereswurm Polydora websteri in der Nordsee nachgewiesen. Dieser ursprünglich aus Asien stammende Borstenwurm bohrt die Schalen von Austern an und gilt daher als Muschelschädling. Erste Funde vor Sylt und vor der niederländischen Insel Texel belegen nun, dass diese invasive Art jetzt auch ins Wattenmeer eingeschleppt worden ist.

Ob Rippenquallen, Krabben oder die austernfressende Pantoffelschnecke: Auch Nord- und Ostsee sind vor invasiven Arten nicht gefeit. Immer häufiger werden Tierarten in diese Meeresgebiete eingeschleppt, die ursprünglich aus anderen Regionen der Welt stammen. Häufig kommen sie mit dem Ballastwasser oder Aufwuchs von Schiffen oder werden durch Aquakulturen eingeschleppt. Einige dieser invasiven Arten können dann zu einer Gefahr für die heimischen Meeresbewohner werden.

Auster
Die Bohrtätigkeit des Wurms hinterlässt Schlammblasen in der Auster. © Dagmar Lackschewitz

Wurm bohrt Löcher in Austernschalen

Jetzt gibt es einen neuen Bioinvasor in der Nordsee: Polydora websteri. Dieser marine Ringelwurm ist ursprünglich in asiatischen Küstengewässern heimisch, hat sich aber inzwischen auch bis nach Australien, an die amerikanischen Küsten und bis ins Schwarze Meer ausgebreitet. In diesen Regionen gilt Polydora als gefürchteter Schädling von Austernzuchten. Er nutzt die Schalen der lebenden Austern als Schutzhöhle und schädigt dadurch die Muscheln.

„Der Wurm ist streng genommen kein Parasit, weil er den Körper der Austern in Frieden lässt“, erklärt David Thieltges von der Universität Utrecht. „Aber indem er ihre Schale angreift, muss sie sich auf die Reparatur konzentrieren und verliert dadurch Energie.“ Zudem dringen durch die Löcher in der Austernschale Dreck und Bakterien ein, die die Muschel krankmachen können. Die solcherart geschädigten Austern sind daher unverkäuflich.

Erste Verdachtsfälle vor Sylt

Den Verdacht, dass Polydora in der Nordsee angekommen sein könnte, ergaben erste Funde im Jahr 2014 in der Umgebung von Sylt. Damals wurden Bohrlöcher an den Schalen wilder Pazifischer Austern beobachtet, aber auch erste Exemplare der Würmer in der Nähe einer Austernfarm. Ob es sich bei den vier bis fünf Zentimeter langen Tieren aber tatsächlich um Polydora websteri handelte, blieb damals noch unklar.

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Seither wurden diese Würmer auch vor der niederländischen Insel Texel gefunden. Um Art und Herkunft dieser Tiere zu klären, haben Thieltges und sein Team nun Exemplare aus beiden Fundstellen näher untersucht und auch genetische Analysen durchgeführt.

Es ist tatsächlich Polydora!

Das Ergebnis: Es handelt sich tatsächlich um Polydora websteri. „Dies ist der ersten Nachweis dieses Polychaeten im europäischen Wattenmeer“, konstatieren die Forscher. Weil der Wurm bislang in der Nähe der Austernfarm auf Sylt am häufigsten vorkommt, vermuten sie, dass Polydora zusammen mit Pazifischen Austern eingeschleppt wurde, die für die dortige Aquakultur importiert wurden.

„Der bevorzugte Wirt dieses Wurms, die Pazifische Auster, wird global gehandelt und kultiviert“, erklärt Thieltges. „Indem man die Auster rund um die Welt transportiert, macht man unabsichtlich auch den Wurm zu einem internationalen Reisenden.“ Von Sylt aus könnte Polydora dann über den Schiffsverkehr bis an die niederländische Küste gelangt sein – seine Larven waren möglicherweise blinde Passagiere am Aufwuchs der Schiffsrümpfe.

Allerdings schließen die Wissenschaftler auch nicht aus, dass die vor Texel gefundenen Würmer vielleicht von nahegelegenen Austernfarmen vor Zeeland stemmen. „Wir kennen seinen Ursprung noch nicht genau, aber wir wissen jetzt, dass Polydora hier ist und dass er sein Verbreitungsgebiet sehr wahrscheinlich weiter ausdehnen wird“, sagt Thieltges. Weitere Beprobungen seien nun nötig. (Marine Biodiversity, 2020; doi: 10.1007/s12526-020-01092-6)

Quelle: Royal Netherlands Institute for Sea Research

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