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Biologie

Nordsee: Freispruch für die Pantoffelschnecke

Eingeschleppte Meeresschnecke ist nicht schuld am Aussterben der heimischen Austern

Pantoffelschnecke und Auster
Die eingeschleppte Pantoffelschnecke Crepidula fornicata galt bisher als mitschuldig am Aussterben der Europäische Auster in der Nordsee. © Senckenberg/ Tränkner

Zu Unrecht verdächtigt: Lange gab man einer eingeschleppten Pantoffelschnecke die Schuld am Aussterben der heimischen Auster in der deutschen Nordsee. Doch jetzt enthüllt eine Studie, dass die invasive Schnecke unschuldig ist: Die Bestände der Europäischen Auster brachen schon vor dem Eintreffen der Pantoffelschnecke drastisch ein – warum, ist damit wieder ungeklärt.

Invasive Arten gelten als ein Mitverursacher für den Schwund der Artenvielfalt – auch in Nord- und Ostsee. Denn vor allem in den letzten Jahrzehnten breiten sich verstärkt eingeschleppte oder eingewanderte Arten in den Meeren aus – von Quallen und Rippenquallen über Schnecken bis zu Krebsen und Fischen. Sind diese Arten sehr erfolgreich, können sie heimischen Arten durch Nahrungskonkurrenz oder Prädation verdrängen.

Niedergang der heimischen Austern

Als Paradebeispiel dafür galt lange die Amerikanische Pantoffelschnecke (Crepidula fornicata). Sie war ursprünglich an den Küsten der USA, Mexikos und Kanadas beheimatet und wurde 1870 auch in nach Europa eingeschleppt. Seit 1934 kommt diese Schnecke auch entlang der deutschen Küste vor. Weil sich die Pantoffelschnecke schnell vermehrte und weil sie das gleiche Nahrungsspektrum besitzt wie die Europäische Auster (Ostrea edulis), gab man der invasiven Art bislang die Schuld am Aussterben der heimischen Auster.

„Vor etwa 200 Jahren war die Austernfischerei in der Nordsee noch ein florierendes Geschäft“, erklärt Koautor Dieter Fiege vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. „In den darauffolgenden Jahren nahmen die Bestände von Ostrea edulis aber kontinuierlich ab.“ Ab den 1940er Jahren galt die Auster im deutschen Teil der Nordsee als ausgestorben, erst aktuell ist sie wieder in sehr kleinen Populationen zu finden. Als Grund dafür wurde neben der Befischung, kalten Wintern oder Krankheiten auch die invasive Pantoffelschnecke vermutet.

Einbruch schon vor Ankunft der Schnecke

Ob diese Schuldzuweisung stimmt, haben Fiege, Erstautorin Sarah Hayer von der Universität Kiel und ihr Team jetzt erstmals überprüft. Dafür untersuchten die Forschenden insgesamt 1.750 Austern- sowie 739 Pantoffelschnecken-Exemplare aus verschiedenen europäischen Sammlungen aus, die zwischen 1820 und 2018 gesammelt wurden. Mithilfe dieser Daten und Aufzeichnungen rekonstruierten sie die Populationsentwicklung von Pantoffelschnecke und Auster in der Nordsee.

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Das Ergebnis: Der massive Einbruch der Austern-Populationen fand vor der Ausbreitung der eingeführten Pantoffelschnecke statt. „Der Niedergang von Ostrea edulis war schon fast vollendet, bevor die Pantoffelschnecke in der Nordsee auftauchte“, berichten die Forscher. Das widerspreche der Annahme, dass die invasive Art der Schuldige am Aussterben der Austern-Populationen sei.

„Die Schnecke wurde demnach zu Unrecht verdächtigt am Rückgang der Austern in der Nordsee verantwortlich zu sein“, sagt Fiege. „Warum die Europäische Auster sich trotz guter Rahmenbedingungen nicht mehr flächendeckend in der Nordsee ansiedelte, bleibt aber bislang ungeklärt.“ (PLoS ONE, 2019: doi: 10.1371/journal.pone.0224249)

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

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