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Genetik

Neues Asthma-Gen entdeckt

Genvariante erhöht das Risiko bei Kindern

Durch Vergleiche des Genoms von gesunden und kranken Kindern ahben Forscher jetzt ein bisher unbekanntes Asthma-verursachendes Gen entdeckt. Wie sie in „Nature“ berichten sind Varianten in dieser Gensequenz mit einem signifikant erhöhten Asthmarisiko bei Kindern verbunden.

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In einer groß angelegten Studie an 2.643 Kindern haben internationale Forscher unter Beteiligung der der Ruhr-Universität eine Genvariante entdeckt, die mit hoher Signifikanz zum Asthmarisiko im Kindesalter beiträgt. Durch Vergleiche des gesamten Genoms der gesunden und asthma-kranken Kinder (genome wide screening) waren sie auf Varianten einer Sequenz auf Chromosom 17q21 aufmerksam geworden, die die Protein-Gruppe ORMDL3 verschlüsselt. Varianten in dieser Gensequenz sind mit einem signifikant erhöhten Asthmarisiko verbunden. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der aktuellen Online- Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

Umweltfaktoren als Auslöser

Asthma bronchiale gehört zu den häufigsten chronischen Lungenerkrankungen im Kindesalter. Etwa 15 Prozent der deutschen Kinder zwischen 6 und 16 Jahren leiden darunter, in Australien, England und den USA sind bis zu 30% betroffen. Asthma ist eine entzündliche Reaktion der Bronchialschleimhaut, die zu einer Enge der Atemwege und damit zu Luftnot, Husten, Atemgeräuschen und einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität mit chronischen Veränderungen der Lunge führt. Ausgelöst wird das Asthma bei Kindern in 80 Prozent der Fälle durch Allergien gegen harmlose Umweltsubstanzen wie Gräser-, Baumpollen und Hausstaubmilben. Diese Allergien oder auch Infektionen und Umweltbedingungen funktionieren dabei auf noch nicht vollständig verstandene Weise als Triggerfaktoren, die zum Ausbruch der Erkrankung führen.

Gene legen den Grundstein

Eine der Ursachen für die Entstehung von Asthma sind bestimmte Erbfaktoren: Ein Kind, dessen Eltern beide Asthmatiker sind, wird mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls daran erkranken. Ein Kind gesunder Eltern hat nur ein fünf- bis 15-prozentiges Risiko, je nachdem wo es aufwächst. Zu den genetischen Faktoren zählen Variationen in der komplexen Regulation der Sensibilisierung zu

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Allergien, Variationen der Reaktion des angeborenen Immunsystems auf unzählige mikrobielle und andere Umweltfaktoren sowie Variationen in Genen, die für entzündliche Reaktionen von Schleimhäuten und des Immunsystems verantwortlich sind. „Es werden zahlreiche Genvariationen auf verschiedensten Genen für die Entstehung von Allergien und allergischen Krankheiten wie Neurodermitis, Heuschnupfen und eben Asthma verantwortlich gemacht“, erklärt Prof. Dr. Albrecht Bufe von der Ruhr-Universität Bochum. „Eine eindeutige Klärung dieser komplexen Situation ist bisher allerdings nur teilweise möglich gewesen.“

Vergleich des gesamten Genoms

Um mehr Klarheit zu erlangen, beteiligte sich die Bochumer Forschergruppe an der „Multicentre Asthma Genetics in Childhood Study“ (MAGICS). Aus diesem Netzwerk stammen die meisten der insgesamt 2.643 untersuchten Kinder. „Diese sehr große Zahl an untersuchten Kindern ist ein Grund für die besondere Bedeutung der Studie“, erklärt Bufe, „der andere ist, dass erstmals die Methode des ‚genome wide screenings‘ an einer so großen Patientengruppe angewandt worden ist.“ Dabei wird die gesamte Geninformation aller Probanden miteinander verglichen. Variationen in den Genen – etwa der Austausch einzelner Basen, der häufig vorkommt und keineswegs krank machen muss – werden daraufhin untersucht, ob sie häufig mit einer bestimmten Erkrankung gemeinsam auftreten. „Bei rund 40.000 menschlichen Genen ist das wie am Himmel nach Sternen suchen“, illustriert Prof. Bufe.

Funktion der Gensequenz noch unklar

Das genome wide screening lenkte die Aufmerksamkeit der Forscher auf den Genkomplex ORMDL3 auf Chromosom 17q21. Variationen in dieser Sequenz traten signifikant häufiger bei Kindern auf, die an Asthma litten, sind also ein deutlicher Risikofaktor. Die Funktion des Genkomplexes ist noch völlig unbekannt. „Wir wissen lediglich, dass ORMDL3 auf dem endoplasmatischen Retikulum, einer Organelle zahlreicher Zellen exprimiert wird“, so Bufe. „Wir haben hier etwas völlig Unbekanntes, Neues gefunden – das eröffnet uns möglicherweise eine ganz neue Perspektive im Verständnis von kindlichem Asthma“, hofft er. Als nächstes versuchen die Forscher, die genaue Funktion der von den Variationen im Genkomplex ORMDS3 betroffenen Proteine herauszufinden.

Gen-Umwelt-Interaktion

Da Asthma nicht ausschließlich von den Genen abhängt, sondern durch Umweltreize ausgelöst wird, müssen genetisch vorbelastete Kinder nicht zwingend erkranken: Durch ein Training des Immunsystems im ersten Lebensjahr verringert sich das Asthmarisiko, wie Untersuchungen einer deutsch- österreichisch-schweizerische Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Bochum der Forscher belegen. Mikrobielle und andere Umweltfaktoren, wie man sie in Tierställen traditionell geführter Bauernhöfe findet, aktivieren schon früh die

Rezeptoren des angeborenen Immunsystems in den Atemwegen und im Magen- Darmtrakt. Die Aktivierung dieser Rezeptoren scheint mit der Reifung des kindlichen Immunsystems zusammenzuhängen. Genvariationen dieser Rezeptoren sind mit Asthma-Risiko im Kindesalter assoziiert.

Auf der Suche nach den richtigen Umweltfaktoren

Die Forscher der Experimentellen Pneumologie in Bochum suchte auch nach den Umweltfaktoren, die das Immunsystem im frühen Kindesalter stimulieren. Sie konnten zeigen, dass die Inhalation von Extrakten aus Tierstallstäuben, wie man sie in den traditionell geführten Bauernhöfen findet im Tiermodell die allergische Sensibilisierung und das Asthma verhindert. Langfristiges Ziel der Forscher ist die Identifikation der schützenden Faktoren in den Extrakten und das Verständnis der Mechanismen, die im frühen Kindesalter zu der Toleranz des Immunsystems gegenüber Allergien und Asthma beitragen. „Dabei spielen die genetischen Variationen offensichtlich eine bedeutsame Rolle, wie die aktuelle Publikation in Nature zeigt“, so Bufe.

(Ruhr-Universität Bochum, 05.07.2007 – NPO)

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