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Paläontologie

Neuer Riesen-Raubsaurier mit Stummelarmen

In Südamerika entdeckter "Meraxes" vertieft Rätsel der Armverkürzung bei Raubdinosauriern

Meraxes gigas
Der in Patagonien neuentdeckte Raubsaurier Meraxes gigas war elf Meter lang und hatte einen riesigen Schädel, aber extrem verkürzte Stummelärmchen. © Carlos Papolio/ CC-by-sa 4.0

Spannender Fund: In Patagonien haben Paläontologen eine neue Art der Riesen-Raubdinosaurier entdeckt – einen elf Meter langen Giganten mit riesigem Schädel, kräftigen Beinen, aber winzigen Stummelärmchen. Der Meraxes gigas ähnelt damit dem Tyrannosaurus, ist aber nicht mit ihm verwandt und lebte 20 Millionen Jahre früher. Das weckt die Frage, warum gleich drei große Raubdinosaurier-Gruppen solche Riesen mit verkürzten Vorderbeinen hervorbrachten.

Die großen, zweibeinig laufenden Raubdinosaurier waren die Top-Prädatoren ihrer Zeit. Mit ihren großen, kräftigen Schädeln, knochenknackenden Zähnen und starken, schnellen Beinen konnten sie selbst größere Beute jagen und erlegen. Rätselhaft ist allerdings, warum einige Riesen-Raubsaurier der Kreidezeit ihre Vorderbeine im Laufe der Zeit immer weiter verkürzten. Bei den Tyrannosauriern und den auf der Südhalbkugel verbreiteten Abelisauriern war dies so extrem, dass die Arme nicht einmal mehr die eigene Schnauze erreichen konnten.

Doch der biologische Grund für diese Stummelärmchen ist bislang strittig: Wurden sie einfach nicht mehr gebraucht? Dienten sie als Klammern bei der Paarung oder Stützen beim Aufstehen? Oder war dies schlicht eine Sackgasse der Evolution?

Kopf von Meraxes
Der Kopf von Meraxes gigas trug Rippen, Furchen und kleine Hörnchen. © Jorge A. Gonzalez/ CC-by-sa 4.0

Elf Meter lang vier Tonnen schwer

Jetzt wirft ein Fossilfund aus Patagonien neues Licht auf die Stummelarm-Debatte. In einer Gesteinsformation aus der Zeit vor rund 90 Millionen Jahren haben Juan Canale vom CONICET-Forschungszentrum in Buenos Aires und sein Team einen bisher unbekannten Vertreter der Carcharodontosauriden entdeckt – einer Gruppe riesenhafter, mit besonders großen Schädeln ausgestatteten Raubdinosauriern der Kreidezeit. Einige dieser Fleischfresser konnten größer werden als der Tyrannosaurus, waren aber weniger massig.

Auch der neuentdeckte Raubdinosaurier ist ein Riese: Er wurde elf Meter lang und wog mehr als vier Tonnen. Sein fast vollständig erhaltener Schädel war 1,27 Meter lang und besaß zahnreiche Gruben, Rippen sowie zwei kleine Hörner an den Kopfseiten. Aufgrund seiner Merkmale ordnen die Forschenden das Tier einer neuen Spezies zu, die sie Meraxes gigas tauften – „Meraxes“ nach einem Drachen aus der Buchreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R. Martin und „gigas“ wegen seiner enormen Größe.

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Stummelärmchen wie der T. rex

Besonders spannend jedoch: Meraxes ist der erste höher entwickelte Carcharodontosaurier, von dem die Vordergliedmaßen erhalten sind. „Das Fossil von Meraxes gigas zeigt uns nie zuvor gesehene Teile des Skeletts, wie die Arme und Beine“, berichtet Canale. „Das hilft uns, die Anatomie der Carcharodontosaurier, aber auch einige evolutionäre Trends besser zu verstehen.“ Dazu gehört auch die Verkürzung der Vordergliedmaßen.

Das Fossil von Meraxes enthüllt, dass auch dieser Riesen-Raubdinosaurier verblüffend kurze Ärmchen besaß. Der Oberarmknochen war nur doppelt so lang wie breit und auch die Unterarme und Handknochen waren kräftig, aber stark verkürzt, wie das Team berichtet. In Länge und Proportionen ähneln die Stummelärmchen des Meraxes stark denen der Tyrannosaurier. „Zwischen diesen beiden Arten gibt es aber keine direkten Verwandtschaftsbeziehungen“, betont Canale.

Dreimal unabhängig voneinander entwickelt

Das bedeutet: Mit Meraxes gibt es nun schon drei Gruppen großer, kreidezeitlicher Raubdinosaurier, die ihre Vorderbeine im Laufe ihrer Entwicklung extrem verkürzt haben. Bei Tyrannosauriern und Carcharodontosauriern waren die Ärmchen kurz, aber sehr kräftig, bei den Abelisauriern dagegen eher schwächlich. In allen drei Linien wurden die Vorderbeine umso kürzer, je größer und kräftiger die Schädel dieser Raubsaurier wurden, wie Canale und sein Team berichten.

„Der bemerkenswerte Grad der Übereinstimmung spricht dafür, dass die Reduktion der Vordergliedmaßen bei diesen großen Theropoden unabhängig voneinander einer aktiven Selektion unterlagen“, erklären die Paläontologen. Die verkürzten Ärmchen waren demnach die Folge einer konvergenten evolutionären Entwicklung – das Merkmal bildete sich in verschiedenen, nicht verwandten Gruppen unabhängig heraus.

Was war der Vorteil?

Aber warum? Auf den ersten Blick erscheinen die extrem verkürzten Ärmchen eher nachteilig. Denn wegen ihrer kurzen Reichweite und eingeschränkten Beweglichkeit waren sie zu vielem nicht mehr zu gebrauchen. Bei der Beutejagd beispielsweise setzten diese Riesen-Raubdinosaurier vornehmlich ihre kräftigen Köpfe und Kiefer ein. „Die Arme dienten daher wohl anderen Zwecken“, sagt Canale. „Bei Meraxes zeigt das Skelett kräftige Muskelansatzstellen und voll entwickelte Schultergürtel, der Arm muss demnach starke Muskeln gehabt haben.“

Doch wozu könnten Meraxes und später der Tyrannosaurus rex ihre kräftigen Stummelärmchen eingesetzt haben? Einige Paläontologen vermuten, dass sie Greifer bei der Paarung oder Stützen beim Aufrichten dienten, andere halten es dagegen für wahrscheinlicher, dass die Arme eher in Anpassung an andere Körperveränderungen kürzer wurden – beispielsweise im Zuge der Kopfvergrößerung. „Die Tatsache, dass nicht verwandte Linien räuberischer Theropoden einander sehr ähnliche Körperproportionen entwickelt haben, könnte Letzteres stützen“, schreiben Canale und seine Kollegen.

Dafür spricht auch, das große, ebenfalls tonnenschwere Raubdinosaurier mit kleinen Köpfen, wie Gigantoraptor oder Deinocheirus, keine so extrem verkürzten Vorderbeine besaßen. Die Körpergröße allein sei demnach nicht der ausschlaggebende Faktor, wohl aber vielleicht die Kopfgröße, sagen die Forschenden. Welche konkreten Vorteile Meraxes, T. rex und Co allerdings von ihren Stummelärmchen hatten, bleibt vorerst offen. (Current Biology, 2022; doi: 10.1016/j.cub.2022.05.057)

Quelle: Cell Press

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